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Bildende Kunst

 

Claus Friede (CF): Warum stellst du als Künstler in einem Museum aus, das für Architektur steht?

 

Rolf Rose (RR): Zunächst ist da meine Beziehung zu meiner Kreisstadt, die Nähe zu Itzehoe. Außerdem kenne ich das Gebäude und die Räume noch aus der Zeit, als es das des Steinburger Künstlerbunds war. Und schließlich hat die Kunst eine Beziehung zur Architektur und umgekehrt. Das gilt für meine Arbeit, wie für die von Stefan Balkenhohl, der vor einiger Zeit dort ausstellte.
Ich bin seit 1980 im Landkreis Steinburg, habe mein Atelier hier, das ich mir in der Form in Hamburg nicht leisten könnte und habe dennoch die schnelle Verbindung nach Hamburg. Es ist also auch die Verbundenheit, die eine Rolle spielt.

 

CF: Und konkret der Architekturbezug?

 

RR: Wenzel Hablik ist, wie ich, hier hängen geblieben. Er hat hierher geheiratet, seine Architektur- und Möbelentwürfe erarbeitet und auch Bilder gemalt. Gute Werke dabei – nicht alles – aber das meiste sehenswert. Er war sehr gut aufgenommen und aufgehoben in seiner neuen deutschen Familie als Tscheche und konnte es sich bis zu seinem Tod leisten, qualitätsvolle Arbeiten zu entwerfen und herstellen zu lassen.

 

CF: Das mag sein, aber mir fällt gerade auf, dass seine Arbeit kontrapunktisch zu Schleswig-Holstein ist. Er stammte aus Böhmen und seine Werke sind von der Auffassung und dem Aussehen nach, dorthin gebunden. Er lebte in Brüx, einer hügeligen bis bergigen Gegend und seinen Arbeiten sieht man das an. Es ist vollkommen untypisch für Norddeutschland, behaupte ich. Ich kann sein Werk hier nicht wirklich verorten...

 

RR: Ja, stimmt. Ich bin auch nicht von hier, 1953 nach Hamburg gekommen und seit 1980 in Krempe. Ich fühle mich nicht als Schleswig-Holsteiner. Man wird ja auch nicht mal eben Hamburger, wie du weißt! Für Wenzel Hablik war das damals wohl schwierig im Anfang und er hat in seiner Arbeit seine Heimat weitergedacht. Ich bin hier aufgenommen und integriert. Aber richtig, in seinem Werk ist nichts Norddeutsches.

 

CF: Bei dir ist es anders, da gibt es keinerlei Verortung in deinem Werk.

 

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RR: Ich komme aus dem Harz und der ist geprägt von Ein- und Durchwanderern, das hat auch auf mich früh gewirkt. Aber dann ziehe ich als zwanzigjähriger nach Hamburg und die Umstellung ist gigantisch gewesen. Wie alle Idioten habe ich gedacht, Hamburg liege am Meer... ja, so war es.
Ich hab mir Arbeit gesucht, mit zwei Ost-Mark in der Tasche. Ich bin erst einmal zur Sozialstation in der Nähe des Gänsemarkts gelaufen. Da erhielt ich dann eine Straßenbahnfahrkarte zur Humboldtstraße in Barmbek, denn dort lag das Bodelschwingh-Heim, indem ich erst einmal untergekommen bin. Zuerst hab ich als Zeitungsbote gejobbt – 16 Stunden mit Stadtplan in der Hand und das Fahrrad vorne und hinten voller Zeitungen; dann später als Packer gearbeitet und schließlich habe ich bei einer Versicherung angefangen. Durch einen Freund erhielt ich einen Job in einer Werbeagentur, in der ich bis 1964 blieb. In dem Jahr war ich 30 Jahre alt und ich musste mir überlegen, bleibst du nun ein Leben lang in der Werbung oder willst du was anderes tun. Ich entschied mich also für die Kunst. Das wollte ich bereits in der Schule machen, aber es gab für mich keine Möglichkeiten Kunst zu studieren, wie sollte man damit als Anfänger im Nachkriegsdeutschland überleben? Und dann komme ich auch noch aus einem bürgerlichen Haushalt. Da war das unüblich, man wurde Jurist oder Beamter, aber nicht Maler. Aber mit 30 wollte ich auch nicht, dass mir noch jemand sagt: Rose, Du wirst jetzt Zahnarzt! Nein, ich wollte das machen, was ich wollte und das war und ist eine sehr gute Entscheidung gewesen.
Ich habe aber eben nicht vier Jahre auf der Akademie verbracht. Da hätte ich zwar Freiräume gehabt, mit einer gewissen Leichtigkeit arbeiten und mir Zeit nehmen können. Aber seit den späten 1960er-Jahren ist das auf Kunsthochschulen schon anders gelaufen, die Fokussierungen auf den Markt und den Erfolg waren so mächtig. Für mich war die Auseinandersetzung mit Malerei wichtig. Ich musste mit mir selbst ins Reine kommen, um das zu finden, was ich machen wollte.
Erfindungen in der Malerei kann man sich nicht ausdenken. Ich glaube alles basiert auf Vorbildern, und man muss dann solange mit den Vorbildern arbeiten, bis man über sie hinwegkommt, um zu sich selber zu kommen. Und wenn man das geschafft hat, ist man schon mal sehr weit gekommen. Dann geht es erst richtig los, weil man noch woanders hinkommen muss: Bilder haben ihr Eigenleben! Es gibt nämlich ein Problem und das lautet: Ich weiß weder wo ein Bild anfängt, noch wo es aufhört. Das ist die Herausforderung, die das Bild an den Künstler stellt. Ich muss das Bild als eigenständiges Objekt begreifen – ich hätte fast Subjekt gesagt. Die Fertigstellung ergibt sich, wenn die Forderung des Bildes an den Maler als Aufgabe gelöst ist. Und genau dann bin ich dem Bild verhaftet und ich sehe das zum Schluss ganz genau.

 

CF: Das klingt wie die Kernaussage deiner künstlerischen Arbeit, die Quintessenz deines Werks, auch mit dem von dir angewandten "All-Over-Prinzip", über die Leinwand hinauszudenken...

 

RR: So ist es und ich bin absichtlich jetzt und hier auf das Thema gekommen, weil ich lange dachte: Na, da male ich nun ein tolles Bild, das haue ich da so hin und es ist dann ganz großartig. Daran glaube ich nicht mehr! Ich glaube weder an die große Idee, noch an den richtigen Zeitpunkt. Ich glaube nur an stetige, ruhige, gelassene Arbeit und manchmal an einen gewissen Druck und auch mal an Verzweiflung. Letztgenannte sind wichtig, damit es nicht langweilig wird. Diese Erfahrungswerte sind die, die prägen. Und die kann man als junger Mensch noch nicht haben, die erfährt man nur über einen langen intensiven Prozess. Erfahrungen in Kombination mit Flexibilität, Unvoreingenommenheit, Freiheit und zerstören können – all diese Dinge.

 

CF: Ist es möglich, dass auch dein berufliches Leben vor der Malerei einen Einfluss darauf hatte, was du gerade formuliert hast?

 

RR: Dazu kann ich sagen, dass ich mit Bildern angefangen habe, die erzählerisch waren: Porträts, Details von Gegenständen wie Autotüren und Teppiche. Die sahen aus wie Orientteppiche, flach auf die Leinwand gebracht, aber mit Schlieren. Dann kamen Linoleumkacheln dazu, die gab es damals in den 60gern zu kaufen. Die sahen schön künstlich aus, hatten auch diese Schlieren als Muster. Ich habe dann die ersten grau-schwarzen Graffitbilder gemalt, sozusagen als Übergang zum neuen, heute erkennbaren Werk. Aber ich fiel erst einmal in ein Loch durch die dunkelfarbigen Arbeiten. Befreit daraus habe ich mich mit der Struktur des 2 cm breiten Spachtel, mit dem ich die Farbe gleichmäßig von oben nach unten aufgetragen habe und sich dadurch diese Unendlichkeit ergab. Und durch die Anzahl der Bilder ergab sich eine Reihung, die immer weitergetragen werden konnte. Das habe ich zehn Jahre gemacht, bis ich wieder das Gefühl hatte, einen Endpunkt erreicht zu haben.
So, und nun, wie daraus kommen. Ich habe dann darüber nachgedacht warum ich das eigentlich so mache, warum ich eben keine Porträts mehr male. Irgendwann kam ich bei einer völligen Verwirrung an und ich wusste nicht warum ich das so male, ich wusste nur, so muss es sein. Für alles andere fehlt mir der Impetus. Und dann ist es plötzlich in Ordnung und ich habe befreit weiterarbeiten können. Ich habe allerdings die Farbigkeit wiederentdeckt. Anfangs wollte ich Buntheit vermeiden, wollte nicht, dass Bilder glitzern, sondern glimmen – das war mein Begriff. Wenn man aber als Maler existieren will, sind alle Farben vorhanden und es gibt keinen Grund auf Farben zu verzichten. Farbe und Struktur und meine neuen Arbeiten beziehen sich zusätzlich auf Architektur. Das ist meine momentane Herausforderung.

 

CF: Ich verbinde Deine Werke mit dem Begriff ‚Arbeit’. Sie sind in meiner Empfindung weder kontemplativ, obwohl reduziert in Farbe und Struktur, noch mystisch. Sie können recht anstrengend sein, wie sie sich dem Betrachter gegenüber geradezu verhalten...

 

RR: Das Kontemplative habe ich immer vermieden, das wäre mir zu vieldeutig gewesen. Mein Versuch die individuelle Geste, die ich mit einem Pinsel gemacht hätte, zu vermeiden ist hier entscheidend. Jeder Gestus war mir zu verräterisch, weil er auf Individualität abzielt. Nur handwerkliche Utensilien wie Rakel, Spachtel, Messer und Stab habe ich zugelassen und das ist nicht nur technisch gemeint, darin drückt sich auch eine gewisse Verweigerungshaltung aus. Ich bin extrem empfindlich gegen psychologische Begründungen für Interpretation, warum wer was auf einer Leinwand hinterlässt.
Meine Bilder sollen eine gewisse Anonymität haben, was bis ins letzte Detail natürlich nicht geht. Dann resultierte aus dieser Erkenntnis meine Verweigerungshaltung, die der Herausforderung galt, mit anonymen Geräten noch Persönlichkeit herzustellen. Meine Persönlichkeit wollte ich verbergen, sie ist jedoch immer irgendwo zu finden. Der Berliner Maler Anselm Reyle hat in diesem Zusammenhang etwas Gutes gesagt: „Ich versuche Bilder zu malen, die banal sind, aber immer Bilder sind und bleiben.“ Der beackert auch so einen Grenzbereich wie ich und sein Satz gilt auch für das, was ich mache.
Banalität ist auch in meinem Werk zu finden. Aber es gab auch die künstlerische Phase, die ich ‚Juwelen aus dem Dreck ziehen’ nenne, es sind Dinge, die unscheinbar, in ihrer Bedeutung zu vernachlässigen sind. Die holt man zurück in die Bedeutung, so banal sie auch sein mögen. Bilder muss man dadurch in einer anderen Weise anerkennen.

 

CF: Und welcher Punkt ist in der Architektur, der Dich in diesem Zusammenhang interessiert?

 

RR: Ich glaube, es ist die Festigkeit. Architektur besteht in meinem Kopf aus Gebäuden, sie sind gebaut. Bilder wollen auch gebaut werden. Meine Arbeiten sind ja nicht wirklich Architektur, es gibt zwei Elemente daraus, die mich interessieren, das der Überlagerung und das der digitalen Planung. Das Digitale ist das aufgelöste Detail und ich vermaterialisiere es wieder ohne analog zu werden...
Über Bilder zu reden ist Irrsinn, merke ich gerade. Wir treiben hier gerade eine Art der Übersetzung...
Meine Bilder sind Idealvorstellungen von Architektur und ich stelle dem gebauten architektonischen Schrott – auch in Hamburg übrigens – diese gegenüber. Ich will den alten Malereianspruch der Auflösung in der Abstraktion nicht mehr erfüllen, der ist versunken. Ich fühle mich modern und zeitgenössisch und man kann meinen neuen Bildern ansehen, dass sie nicht vor 20 Jahren gemalt worden sind. Das lässt sich im Wenzel-Hablik-Museum gut überprüfen.


Rolf Rose: Farbkörper

Ausstellung vom 13. März bis 15. Mai 2011 im Wenzel-Hablik-Museum, Reichenstr. 21, 25524 Itzehoe
Öffnungszeiten: Di - Fr 14-17 h, Sa 14-18 h, So + Feiertag 11-18 h
Eröffnung | Sonntag, 13. März 2011 | 11:30 Uhr

 

Veranstaltungen:
Samstag, 20.03.2011 | 16:00 Uhr | Eine Stunde mit Rose. Mit dem Künstler in der Ausstellung
Sonntag, 10.04.2011 | 15:00 - 17:00 Uhr | Malen nach Rolf Rose. Kinder von 8-14 Jahren experimentieren mit Farben auf eigener Leinwand
Sonntag, 15.05.2011 | 11:00 – 18:00 Uhr | Internationaler Museumstag | Freier Eintritt

 

 


Alle Fotos: © Rolf Rose
Galerie:
1. 1991, Öl auf Holz, 170x180cm
2. 1992, Öl auf Holz, 250x510cm
3. 2002, Öl auf Leinwand, 170x155cm
4. 2007, Acryl auf Leinwand, 210x180cm
5. 2009, Acryl auf Leinwand, 150x150cm
6. 2009, Acryl auf Holz und Metall, 200x120cm
7. 2009, Acryl auf Holz und Metall, 200x120cm
8. und 9. Ausstellungsansichtenalt



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