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Für den unbedarften Salzburg-Touristen bildete der mächtige Komplex rund um den Domplatz, dort, wo alljährlich der berühmte „Jedermann“ aufgeführt wird, schon immer eine Einheit. Schließlich erscheinen der Dom, das Benediktinerkloster St. Peter und die Residenz architektonisch geschlossen wie aus einem Guss. Tatsächlich jedoch gab es zwischen Erzbischof und Klosterabt über Jahrhunderte so starke Rivalitäten, dass die Gebäude strikt voneinander getrennt waren. Allenfalls der Fürsterzbischof konnte bis vor 200 Jahren den kurzen Weg von seiner Residenz durch die Lange Galerie in den Dom nehmen. Für das einfache Volk hingegen waren diese Wege selbstverständlich immer tabu.

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Um die Rivalitäten zwischen Erzbischof und Erzabtei, zwischen weltlicher und geistlicher Macht nachzuvollziehen, muss man wissen, dass das Amt des Bischofs und des Abtes in seinen Anfängen eine Personalunion war. Der Heilige Rupert hatte St. Peter 696 gegründet und war gleichzeitig der erste Bischof Salzburgs. Im Jahr 987 trennten sich die Ämter, wobei St. Peter noch bis 1110 Bischofsresidenz blieb. Nachdem Konrad I. 1124 einen neuen Bischofssitz unmittelbar neben dem Kloster, an dem Ort der heutigen Residenz errichtete, entspann sich zunehmend heftige Konkurrenz zwischen beiden Institutionen: Das Missionskloster, dessen hervorragend Schreibschule auch Vorbild für Admont war, beanspruchte das geistliche und geistige Zentrum des Landes zu sein. Der Bischof, der als Reichsfürst auch noch die politischen Geschicke von Stadt und Land lenkte, kämpfte um seine immer wieder herausgeforderte Autorität.

Unser Rundgang beginnt in der ehrwürdigen Residenz, deren Architektur im Stil der Spätrenaissance ursprünglich 1596 von Erzbischof Wolf Dietrich in Auftrag gegeben und von mehreren Bischofs-Generationen zu ihrem heutigen Erscheinungsbild ausgebaut und umgestaltet wurde.
Im zweiten Stock befindet sich die Residenzgalerie. Früher waren hier die Wohnräume des Erzbischofs und seiner Familie. Eine Zeit lang hat auch Österreichs Kaiserin Karoline Auguste (1792-1873) hier gewohnt und von der eigens angelegten Dachterrasse auf Salzburg geschaut. Erst 1929 entschloss sich die Stadt in den repräsentativen Sälen eine Galerie einzurichten. „Im Zuge der Salzburger Festspiele wollte man dem internationalen Publikum eine internationale Kunstsammlung präsentieren“, erzählt Gabriele Groschner, Direktorin der Residenzgalerie. Gleichzeitig galt es, einen Ersatz für die während der napoleonischen Kriege verloren gegangenen erzbischöflichen Kunstsammlungen schaffen.

Die hochkarätige Sammlung umfasst rund 600 Werke europäischer Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts, darunter „die einzige relevante Barocksammlung zwischen Wien und München“, wie die Direktorin sagt. Ihre Bedeutung habe die Kollektion vor allem durch die Kooperation mit privaten Adelssammlungen erhalten. Zum Grundstock – der in den Jahren 1956-1995 angekauften Sammlung Czernin – kommen ständige Leihgaben der Sammlung Schönborn-Buchheim, Liechtenstein, Esterházy und Harrach.

„Durch Czernin besitzen wir auch französische Barockmalerei“, betont Gabriele Groschner. Das sei deshalb so besonders, da Österreich und Frankreich stets auf Distanz standen und französische Malerei in der Alpenrepublik kaum gesammelt wurde.

In der Schau „Lebenswelten – Barockes Europa“, die nun zur Eröffnung des DomQuartiers Werke aus dem eigenen Bestand präsentiert, bilden die Franzosen einen Schwerpunkt. Die opulente Ausstellung führt vor Augen, wie vernetzt bereits im 17. Jahrhundert Künstler aus ganz Europa zusammengearbeitet haben. Die Direktorin lenkt den Blick auf die „Allegorie auf Kaiser Klar V. als Weltherrscher“, ein frühes Gemälde von Peter Paul Rubens. „Es ist eines unserer Highlights“, so Groschner. „Rubens hat es als junger Maler in Italien noch von eigener Hand gemalt“. Das ist deshalb erwähnenswert, da der Malerfürst später in Antwerpen eine riesige Werkstatt mit zahlreichen Schülern und Gehilfen unterhielt – Der Meister selbst hat dann nur noch die Kompositionen angelegt. Höhepunkt der Kollektion aber ist zweifellos ein kleines Porträt – so klein, dass es in einer großen Vitrine mitten im Raum hängt und an der gegenüberliegenden Wand per Multimediascreen vergrößert und en Detail präsentiert wird: Es handelt sich um die „Betende alte Frau“ von Rembrandt, das vermutlich seine Mutter darstellt. „Wir sind sehr stolz auf dieses Bild, denn es ist eines von dreien, die Rembrandt auf einer Kupferplatte gemalt hat“, erklärt die Kunsthistorikerin. „Leider ist es nicht zu vermarkten, da die Frau alt und vielleicht sogar hässlich ist“.

Nun ja, der Beweis wäre noch anzutreten. Warum nicht mal ein altes, hutzeliges Weibchen auf einem Cover? Verdient hätte es dieses Bild allemal. Erst in der Vergrößerung zeigt sich, wie virtuos der junge Künstler das Porträt anlegte: Das Gesicht pastos, die Hände so fein in der Lasur, dass die faltige Haut der Greisin hervorragend zum Ausdruck kommt.

Vorbei an dem Saal mit österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts (mit einigen sehr schönen Porträts und Stillleben von Hans Makart, sowie dem biedermeierlich versonnenen Waldmüller-Gemälde „Kinder im Fenster“ von 1853) geht es auf die neue Terrasse, dem Übergang von Residenz zum Salzburger Dom. Früher war hier nur ein Stück Dach, auf das man bestenfalls durch die Fenster spähen konnte. Nun bietet sich ein sensationell schöner Blick über den Residenzplatz auf die Stadt Salzburg. Hier, auf der neuen Terrasse, übernimmt Prälat Balthasar Sieberer die Führung und weist sogleich darauf hin, dass das neue Domquartier weit mehr als ein Museum ist: „Der Dom ist das Haus Gottes, in dem sein Name angerufen wird“, sagt der sympathische Dompfarrer. „Hier spielt sich das Leben hab. Hier sollen die Menschen ein wenig anders herauskommen, als sie hineingegangen sind“.

Über eine Wendeltreppe geht’s in eines der beiden seitlichen Oratorien, die abgeschiedenen Andachtsräume, in denen das Domkapitel früher den Bischof wählte. Im Gegensatz zu den meisten Bischofssitzen wird der Salzburger Bischof nämlich nicht direkt vom Papst ernannt, sondern aus drei päpstlichen Vorschlägen vom Salzburger Domkapitel selbst gewählt, das ist auch heute noch so.

Bei unserer Besichtigung wird im Nordoratorium noch fleißig gearbeitet. Leitungen werden verlegt, Zwischenwände aufgebaut. Künftig wird hier Barockmuseum sein neues Zuhause haben, das seit 1970 im Mirabellgarten untergebracht war. Um die Sammlung Kurt Rossachers, rund 150 Grafiken, 140 Gemälde und 42 Holz- und Tonmodelle, adäquat präsentieren zu können, wurde eigens eine Heizung im Dom installiert, die Fenster aufgedoppelt und eine neue, indirekte Beleuchtung angebracht, die die imposante Architektur so wenig wie möglich beeinträchtigt.
Durch das Rupertusoratorium mit seinem eindrucksvollen Altar, das den heiligen Rupert, den hochverehrten Schutzpatron des Landes, mit einem Salzfass in der Hand zeigt, geht es weiter zur Orgelempore.

Der Blick von hier oben in die Tiefe des Domraumes ist so schön, dass dem Betrachter ein kleiner Schauer über den Rücken läuft. Künftig werden Touristen aus aller Welt diesen Anblick genießen. Bislang durften es nur der Chor, der Organist und Balthasar Sieberer. Der Prälat macht auf die verschiedenen Dom-Orgeln aufmerksam, sieben an der Zahl, und zeigt, wo Mozart – „wenn er mal in der Stadt war“ – seinen Arbeitsplatz als Salzburger Domorganist hatte.

Von der Empore führt der Weg in das Dommuseum mit seinem Domschatz: Es ist nicht sehr groß, doch ausgesprochen sehenswert mit seinen prachtvollen liturgischen Goldschmiedearbeiten, Skulpturen und Textilien vom 12. bis 18. Jahrhundert. „Salzburg war mal relativ reich“, erzählt Sieberer. „Heute ist davon leider nicht mehr so viel geblieben. Mal hatten die Wiener das Sagen, mal die Münchner – und alle haben sich genommen, was sie wollten“.

Die größten Kostbarkeiten, die dem Dom erhalten blieben, sind ein doppelarmiges Reliquienkreuz aus Ungarn (um 1100), eine kleine goldfarbene Hostientaube aus Limoge (1200/1225), eine Pretiosen-Monstranz des Hofgoldschmieds Ferdinand Sigmund Amende aus dem späten 17. Jahrhundert und das so genannte Rupertuskreuz aus dem 8. Jahrhundert, das größte erhaltene Metallkreuz des ersten christlichen Jahrtausends.

Keine Frage, der Rundgang durch das DomQuartier hat eine Menge an Highlights zu bieten. Dazu gehört auch die Kunst- und Wunderkammer aus dem 17. Jahrhundert, von der heute leider nur die Schränke im Original erhalten sind. Nach dem Ende des Fürsterzbistums wurde der Sammlungsbestand zerstreut, erst 1974 machte man sich daran, ihre Inhalte zu rekonstruieren: Ausgestopfte Tiere, exotische Muscheln und Korallen, Globen, technische Geräte und Kleinodien – all die künstlichen und natürlichen Objekte, die im Barock die Gesamtheit des Kosmos‘ verbildlichen sollten, laden heute wieder die Besucher zum Gucken und Stauen ein.

Bis vor kurzem war der Saal mit den „Arteficalia“ und „Naturalia“ noch ein toter Seitenarm des Dommuseums. Dort war die Museumswelt erst einmal zu Ende. Nun ist sie die zentrale Schnittstelle von Bischofsreich und Klosterdomäne. Eine große, gusseiserne Tür öffnet sich zur „Lange Galerie“. Der Name hält, was er verspricht: 70 Meter lang, beidseitig mit großformatigen Gemälden behängt und überaus reich mit Deckenstuckatur verziert, manifestiert sich in dieser 1657-1661 errichteten Galerie gleichsam der Machtkampf zwischen Erzbischof und Kloster. Um trockenen Fußes und auf dem kürzesten Weg von seiner Residenz in den Dom zu gelangen, plante Fürsterzbischof Guidobald Graf von Thun und Hohensein einen Gang direkt neben, bzw. vor das Kloster zu bauen. Abt Amand Pachler versuchte das mit allen Mitteln zu verhindern. Als Kompromiss einigten sie sich daraufhin gemeinsam eine Galerie zu errichten und die Eigentumsverhältnisse zu teilen: Die Galerie gehörte dem Bischof, das Gebäude dem Kloster. Erst 1819, nach der Sekularisation, fiel die der lange Gang endgültig an das Kloster.

„Diese Galerie ist die erste nördlich der Alpen, die nach italienischem Vorbild mit Nordlicht ausgestattet wurde.“ Wolfgang Wanko begrüßt uns direkt vor zwei großformatigen Werken von Paul Troger, einem der bedeutendsten Barockmaler Österreichs. Seit 2005 leitet der Kustos die klösterliche Kunstsammlung, die im Gegensatz zur bischöflichen Kunstsammlung nur wenige „Aderlässe“ im Laufe der Geschichte zu verkraften hatte und ungeheuer umfangreich ist. Unter den rund 40 000 Objekten, Grafiken, Heiligenbildern und auch vielen Gebrauchsgegenständen ohne großen materiellen Wert, hat Wanko bislang rund 16 000 erfasst. Die kostbarsten und wichtigsten Stücke werden nun im neuen Museum St. Peter der Öffentlichkeit präsentiert. Thomas Wizany, Salzburger Architekt und Karikaturist, entwarf im ersten Raum ein schwarzes, spiralförmiges Oval, das gleich einem Schrein die Schatzkammer des Kosters birgt. Während unseres Rundgangs wird hier noch eifrig gemalt, gehämmert und gesägt. Bis zum letzten Moment dauern die Vorbereitungen, erst unmittelbar vor Eröffnung, so Wizany, werden die Pretiosen platziert: Die Mitra des Abtes Rupert Keutzl (um 1480), das Limoges-Pastorale (Abtstab) aus dem 13. Jahrhundert, ein Messkelch aus dem 12. Jahrhundert, sowie gotische Monstranzen, die den ganzen Reichtum des Kosters spiegeln.

Der nächste Raum widmet sich anhand kostbarer Instrumente dem Thema „St. Peter und die Musik“. Nicht nur Mozart, dem berühmten Sohn der Stadt, wird hier gehuldigt, sondern auch Michael Haydn, dem Bruder von Joseph Haydn und Freund Mozarts. Michael Haydn wirkte 43 Jahre lang in Salzburg und war zuletzt auch für die Dommusik zuständig.

Der dritte Raum spiegelt dann die ungeheure Fülle an Klosterschätzen: Wertvolles, Merkwürdiges und Kurioses, das ganze Sammelsurium, das sich im Laufe von 1300 Jahren hinter Klosterwänden ansammelte, wir hier exemplarisch vor Augen geführt. Ein Paar Holzpantoffeln sind ebenso darunter, wie ein Eisstock, ein Globus oder eine Wärmflasche. Um die Depot-Situation nachzuempfinden hat der Architekt eine große, schwarze „Regal-Welle“ erdacht, die den Fluss der Geschichte verkörpert. Denn das ist Thomas Wizany besonders wichtig: „Die Geschichte dieses Klosters ist noch nicht zu Ende. Wir wollen zeigen, dass sie weitergeht – das Kloster lebt“.


DomQuartier, täglich, außer Dienstag, 10-17 Uhr, Im Juli und August täglich geöffnet. Eintritt: 12 Euro, erm. 10 Euro, Kinder 5 Euro, Familienkarte 27 Euro. In der Salzburg Card ist der Eintritt bereits enthalten.
Alle Infos unter www.domquartier.at


Abbildungsnachweis: Alle Fotos © Isabelle Hofmann
Header: Blick auf das DomQuartier
Galerie:
01. Blick auf DomQuartier und Domhof
02. Fassade des Doms zu Salzburg
03. Mittelschiff des Doms
04. Domhof
05. Direktorin der Residenzgalerie Gabriele Groschner vor digitalem Rembrandt Portrait
06. „Wunderkammer“
07. Stuckdecke des Rupertusoratoriums

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