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Zuerst entschied ich mich für lediglich sieben Museen. Das musste reichen. Wenn ich sehr diszipliniert mit der Zeit umging, überall einen Parkplatz bekam und ein bisschen rannte…
Dann fiel mir die Geschichte vom Vertreter ein, dessen Chef ihm eine Liste für eine Tour überreichte: „Montag fahren Sie nach Berlin, da kommen Sie um 10.18 am Hauptbahnhof an. Um 11.25 haben Sie Anschluss auf Gleis 5 nach Leipzig, da sind Sie um 13.02. Der Zug nach München hat Anschluss um 17.07…“ Und so weiter. Als der Mann nach einer Woche wieder Zuhause war, wurde er gefragt, wie viele Abschlüsse er denn gemacht hätte und er rief wütend „Abschlüsse?! Abschlüsse??!!! Ich bin froh, dass ich die Anschlüsse geschafft habe!“
Also nur vier Museen.
Das Afghanische, das Maritime, das für Hamburgische Geschichte und natürlich Beatlemania, denn das kannte ich überhaupt noch nicht. (Um es gleich zu sagen: ich kenne es immer noch nicht.)

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Oh doch, eigentlich war ich früh genug da. Kurz nach 18.00 Uhr bauten sie vor dem Afghanischen Museum in der Speicherstadt noch den Kebab-Grill auf – sehr zu meinem Bedauern, mir wäre durchaus bereits nach einem kleinen Abendessen zumute gewesen. Ich fragte, ab wann man denn essen könnte und wurde die Treppe emporgezogen in Räucherstäbchenduftwolken der ganz besonders orientalischen Art: „Die Besucherin hier hat Hunger!“
Man reichte mir getrocknete, gesalzene Kichererbsen, getrocknete Maulbeeren, etwas hart, aber fruchtig süß und hellgrüne Rosinen. So ausgestattet betrachtete ich afghanischen Schmuck, Haushaltsgerät und Schnabelschuhe sowie das Jurtezelt, in dem sich später die Wahrsagerin über unsere Zukunft äußern würde. Der orientalische Tanz interessierte mich besonders – ich liebe orientalische Tänze – aber er sollte erst um 20.00 Uhr anfangen.
Ich beschloss also, durch den lieblichen Frühlingsabend und die im Augenblick noch recht menschenleere Speicherstadt zunächst mal zum Internationalen Maritimen Museum zu schlendern.
Schon auf der Brücke vor dem Eingang lungerten einige malerisch kostümierte Seeungeheuer mit Gesichtsmasken herum. Offenbar waren sie zum Schweigen verurteilt (es spricht sich ja auch schlecht unter Wasser) durften jedoch mit dem Kopf schütteln und nicken sowie mit den Schultern zucken, was eine zufrieden stellende Kommunikation erlaubte. Ein bräutlich geschmücktes Meereswesen zeigte mir dringlich eine antike Postkarte mit dem Portrait eines Kapitäns. Ich bekam heraus, dass es sich um ihren ersoffenen Liebsten handelte und sie sich, weil das mit der Hochzeit nun nichts mehr werden konnte, ebenfalls in die Wellen gestürzt hatte, sprach mein Beileid aus und betrat sehr animiert das Gebäude.

Hier wuselte es gewaltig. Ich sah mich auf verschiedenen Stockwerken um, hörte Englisch und Holländisch, vor allem jedoch die Klangfarbe der Stadt in ungewöhnlich vergnügtem Ton. Im Fahrstuhl, dicht gedrängt, wurde gescherzt und gelacht, als befände man sich im Februar in Köln oder im Oktober in München. Jeder sprach mit jedem und niemand nahm übel!
Auf Deck 10 (also im zehnten Stock) thronte ein Herr mit Ohrpflöcken, wilden Ringen und milden Augen über einer Piratenflagge und hielt interessante und witzige Vorträge, durch Lichtbilder untermalt. Er erzählte von Ungeheuern des Meeres und Aberglauben auf See, von Klabautermännern und dem japanischen Seemönch Umi Bozu, der einer schwarzen Riesenkartoffel ähnelt und nur durch eine kaputte Schöpfkelle davon abzuhalten ist, ein Schiff so lange mit Wasser zu füllen, bis es untergeht.
Der Vortragende hielt es dabei mit erstaunlicher Seelenruhe aus, dass immer mal wieder irgendwelche Besucher auf Deck 10 umherirrten, dessen Dielen derart knarrten, dass man es garantiert bis zum Rathausmarkt hören konnte. Aber erstens unterstützte das durchaus den erwünschten gruseligen Gesamteindruck und zweitens standen vor ihm zwei Mikrophone, er durfte also guter Dinge sein und (zu Recht) davon ausgehen, dass ihn die Zuhörer trotz Riesengeknarre immer noch verstanden.

Nun hätte ich eigentlich, um die Afghanen tanzen zu sehen, im gestreckten Galopp den Sandtorkai entlang rennen müssen.
Aber gerade als ich, durch einige vorherige Erlebnisse mit dem Fahrstuhl des maritimen Museums gewitzt (der an normalen Tagen ein braver, zuverlässiger Vertreter seiner Gattung sein mag, an diesem Abend aber Zeichen seelischer Verwirrung zu zeigen begann) die Treppen benutzte um nach unten zu gelangen, ergab sich im Treppenhaus ein Zwischenfall. Hier bewegte sich ein tuntiger Pirat, der verzweifelt an Jack Sparrow erinnerte, obwohl er vielleicht nicht ganz so attraktiv aussah.
Bekanntlich orientierte sich Johnny Depp bei der Ausarbeitung seiner Rolle am lasziven Getorkel von Rolling Stone Keith Richards. Es ist zu befürchten, dass in Zukunft sämtliche Seeräuber ähnlich tänzeln und fuchteln – außer den gegenwärtigen, hauptberuflichen, versteht sich. Die dürften kein besonderes Interesse daran haben.
Der im Museumstreppenhaus wurde von einem kahlköpfigen Bartträger (Simon von Utrecht) mit: ‚Störtebeker’ angerufen. Und während beide sich mit ihren Degen piekten, spielte sehr laut die Filmmusik aus dem ‚Fluch der Karibik’, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Überall auf den Treppen beobachteten, mehr als dicht gedrängt, amüsierte Zuschauer die Szene, neben sich, Kopf an Perücke, ebenfalls amüsierte Seeungeheuer.
Nachdem Störtebeker trotz geschickter Gegenwehr den geschichtlichen Tatsachen weichen musste und vom Henker abgeführt wurde, war es zu spät für orientalische Tänze. Ich konnte also am Eingang (für mich jetzt Ausgang) des Museums noch mit einem letzten Fabelwesen plaudern, das grüne Tentakel um den Kopf geschlungen trug und mir zum Abschied eine besonders hübsche grau-violette Muschel verehrte.

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