NewsPort - Kunst & Kultur aktuell

Kultur, Geschichte & Management

Dabei wurde die von Trave und Wakenitz umgebene Altstadt 1942 in Schutt und Asche gelegt. Die zerborstenen Glocken in der Marienkirche zeugen noch heute von dem Feuersturm im Zweiten Weltkrieg und es dauerte Jahrzehnte, bis Lübeck sein altes Gesicht wiedererlangte. Heute stehen zwischen Dom und Schiffergesellschaft reihenweise wieder stolze, giebelverzierte Bürgerhäuser, denen man nicht ansieht, wie stark sie einst gelitten haben. Und zum Teil sind diese schönen Häuser auch immer noch in den Händen der wohlhabenden Lübecker Kaufmannsfamilien, die seit Jahrhunderten die wirtschaftlichen und politischen Geschicke der Stadt bestimmten. Ihr Denken, Fühlen und Handeln zwischen Berufsethos, Frömmigkeit und Standesdünkel hat niemand besser beschrieben als Thomas Mann (1875-1955) in seinen „Buddenbrooks“. Der Schriftsteller wusste, wovon er sprach: Die eigene Familie stand Pate für das literarische Sittengemälde. Vor allem seinem Vater, dem ehrbaren Kaufmann, Konsul und Senator Thomas Johann Heinrich Mann (1840-1891), setzte der Literaturnobelpreisträger damit ein literarisches Denkmal. Aber auch die meisten Nebenfiguren sind realen Vorbildern entlehnt. Als der Roman 1901 erschien, stellte eine Lübecker Buchhandlung die Liste der identifizierten Persönlichkeiten aus – sehr zum Unmut der Betroffenen, wie man sich vorstellen kann.

Galerie - Bitte Bild klicken
Doch Thomas Mann verewigte nicht nur die feine Lübecker Gesellschaft, auch das Haus seiner Großeltern, den Dreh- und Angelpunkt seiner Kindheit. Er selbst wuchs zwar in der Beckergrube auf, „einem eleganten Stadthaus, das mein Vater sich und den Seinen erbaut hatte“, doch Zentrum war, wie er in seinen Erinnerungen schrieb, das alte „Familienhaus aus dem 18. Jahrhundert, mit dem Spruche Dominus providebit am Rokoko-Giebel, welches meine Großmutter väterlicherseits allein bewohnte und das heute als das Buddenbrook-Haus einen Gegenstand der Fremdenneugier bildet“.

Wohl wahr. Täglich strömen Scharen von Touristen zu dem Stammsitz der Manns in die Mengstraße 4. Oder, besser, zu seiner Rekonstruktion. Als Thomas Mann 1953 seine Geburtsstadt besuchte, stand von dem Palais nur noch die Fassade. Es wurde wiederaufgebaut und erinnert seit 2000 als Literaturmuseum an die berühmten Söhne der Stadt.

Wer die „Buddenbrooks“ liebt, der wird auch die feine Edition historischer Postkarten zu schätzen wissen, die Bokelberg herausgebracht hat. Sie entführt unmittelbar in die Jugendzeit des Autors und würde sich trefflich als Illustration seines Jahrhundertromans eignen. Hier präsentiert sich Lübeck so, wie es Thomas Mann in den „Buddenbrooks“ geschildert hat: Wohlhabend, gediegen, standesbewusst und mit einem Hauch von Großstadtflair versehen. Das Holstentor erscheint hier noch von Straßenbahnschienen und Gaslaternen gesäumt, der Mühlenteich still und verträumt, die Trave voller Segler und Schuten. Vor den imposanten Speichern am Wasser herrschte reges Treiben von Mägden und Marktfrauen, Fischern und Fuhrwerkern, Händlern und Bauern, die ihre Kartoffelernte zum Verladen einfach auf den Kai kippten. Es sind etliche Aufnahmen aus der Vogelperspektive in dieser Edition. Von den Türmen aus bietet sich eine prächtige Aussicht auf Straßen und Plätze. Eine zeigt das in seinem Stilmix märchenhaft anmutende Rathaus mit der großen Schauwand, den kleinen Schmuckbalkonen und den vielen spätgotischen Türmchen. Aus der Vogelperspektive sieht man elegante Herrschaften über den Platz flanieren, die Damen gut behütet und in wallenden Röcken. Eine andere Szene zeigt die Breitestraße, Ecke Mengstraße, ebenfalls von erhobenem Standort. Über die Breitestraße fährt die Elektrische ins Bild, zwei von Kaltblütern gezogene Fuhrwerke rattern das Kopfsteinpflaster entlang. Im Hintergrund erheben sich die imposanten Türme der Marienkirche, in denen Heinrich und Thomas Mann getauft wurden. In die Mengstraße bog gerade eine elegante Kutsche ein, man sieht sie nur von hinten. Der Kutscher mit seinem Zylinder und der Peitsche ist gut zu erkennen. Im Fonds sitzt offenbar ein hochherrschaftliches Paar. Wer weiß, vielleicht hielten sie ja vor dem Haus Nummer 4.

Werner Bokelberg „Unser Sylt vor 100 Jahren“
48 Postkarten (17x11cm) mit Motiven von Lübeck in einer attraktiven Weißblech-Box (18x12cm)
gibt es für 19,80 Euro im Buchhandel oder direkt online im Bokelberg-Shop.
ISBN: 4260241480337


Abbildungsnachweis: Bokelberg.com
Header: Weißbleck-Box von oben. Lübeck
Galerie: 12 Lübeck-Ansichten

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.