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Direkt am Eingang der über 1.000 qm großen Ausstellung, empfängt die Besucher in einer Vitrine „Luxo Jr.“, die bewegliche und hüfende Schreibtischlampe, die vor sich einen Ball liegen hat und längst zum berühmten Firmenlogo wurde. Direkt daneben hängt die Originalzeichnung eines der PIXAR-Gründer, John Lasseter, aus dem Jahr 1986 – so lang ist das schon her.
„Lasseter war unter anderem mit Steve Jobs einer der Pioniere in diesem Animationsbereich“, sagt Nowak, „sie schienen bereits damals zu wissen, dass diese Filmkunstform zu einem florierenden Unternehmen aufzubauen sei. Begonnen wurde mit Kurzfilmen, bevor dann in den 1990er-Jahren Langfilme produziert wurden. Jeder dieser Kurzfilme beinhalte Innovationen. Dahinter steht ein zukunftsträchtiges Projekt, und es wurden keine Mühen und Kosten gescheut, digitale Lösungen für neue Ideen zu entwickeln. Die eigentliche Revolution bei „Luxo“ war damals, Gegenstände, die mehrere Gliedmaßen hatten, animiert bewegen zu können – die Erfindung des Keyframings für die digitale Animation. Lampe und Ball, Licht und Schatten, gehen eine sich ständig verändernde Beziehung miteinander ein. Jedem leblosen Gegenstand konnte damit Leben eingehaucht werden, um menschlich nachvollziehbare Mimik und Charakterzüge darzustellen. Wie kann eine Lampe, die kein Gesicht hat, dennoch traurig, neugierig, fröhlich oder kindlich wirken? Sie springt, lässt den Lampenschirm hängen oder richtet sich auf, reckt sich so weit es geht... Das hat der animierte Kurzfilm damals grandios mit wenigen Grundmustern gelöst und dafür steht die kleine Luxo-Lampe.“

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„Jeder neu entwickelte Film, jede Produktion hat bei PIXAR eine technische, inhaltliche und kreative Innovation in sich getragen, vom Filmvorspann bis zum Abspann. Das wurde mit einer Geschichte, einer Fabel gepaart, die meist eine Lehre oder eine Pointe beinhaltet. Bei „Die Monster AG“ (Monster, Inc.) war das technisch Innovative die Darstellung von Fell, Haaren und anderer Stofflichkeit. Es lässt sich hier in der Ausstellung gut nachvollziehen, wie die Entwicklung Schritt für Schritt vorangegangen ist und ich muss allerdings schmunzeln, wenn ich die frühen Versuche der 90er-Jahre hier sehe; dabei ist das noch gar noch so lange her. Computeranimation altert schnell, die visuelle Qualität ist nicht mehr auf dem heutigen Stand – jedoch wird deutlich, welche kulturelle und visionäre Bedeutung die Anfänge hatten und haben.“

Nachdem sich die Ausstellung zunächst mit der allgemeinen Entstehung und den Entwicklungen von PIXAR beschäftig, werden die einzelnen Projekte vorgestellt: Toy Story, Das Große Krabbeln, Die Unglaublichen, Findet Nemo, Cars, Oben, um nur einige zu nennen. Neben Skizzen und Zeichnungen, Storyboards und dreidimensionalen Güssen einzelner Figuren, findet der Besucher immer wieder kleine animierte Filmausschnitte oder Entstehungsanimationen.

Im Kapitel über den Animationsfilm „Cars“ bleibt Nowak stehen und sagt: „Als ich bei Gründervater John Lasseter im Büro stand, kam ich mir vor wie in einem großen Spielzimmer, die Wände sind von oben bis unten mit jeder Hauptfigur zutapeziert, die es gibt. Er dokumentiert damit nicht nur seine künstlerischen Erfolge, sondern insbesondere auch seine Kommerziellen.
Gerade „Cars“ gehört zu Lasseters Lieblingsproduktionen, wohl weil er selbst Regie führte. Zu meinen Favoriten gehört dieser Film mit den sprechenden und Augen rollenden Autos zwar nicht, aber ich finde die Story sehr gut geschrieben – schlüssig und dicht. Was man hier nun wirklich gut erkennen kann ist, welcher große Apparat hinter der Entstehung steht, eine geradezu wissenschaftliche und hochkarätige Entwicklungsarbeit. Denn eines darf man bei dem Unternehmen nicht vergessen, um solche Ergebnisse zu erhalten, muss es einen kommerziellen Erfolg geben, damit man einen Gewinnanteil weiter in die Forschung stecken kann. Das Projekt wird jeweils mit innovativen Künstlern begonnen, durch verschiedene Filter und Katalysatoren geschickt, um am Ende ein gewinnbringendes Produkt, ein Destillat zu erhalten, was dadurch allerdings nicht weniger innovativ sein muss. Manchmal wird jedoch die zunächst innovative Materialität zugunsten einer Plastikspielzeugmentalität des allgemeinen Geschmacks geopfert, was ich persönlich schade finde. Andererseits – um 100 Künstler, die an einem Film arbeiten zusammenbekommen, damit es am Ende aus einem Guss aussieht, benötigt man die Schnittmenge eines Teams, deren Aussehen zentral von den Produzenten entschieden werden muss.“

Vor einer Zeichnung, die einen Stier zeigt, der mit einer motorisierten Arbeitsmaschine überzeichnet ist erklärt Till Nowak: „Die Ausgangsskizze ist ein Wesen, in diesem Fall Tier, ein starker, schnaubender Stier, dessen Hörner angriffslustig und zielgerichtet nach vorn zeigen und durch Metamorphose wenig später zum Bulldozer werden. Gar nichts geht an Kraft und Ausdruck des Stieres verloren.“

Immer wieder fällt dem Medienkünstler die Nähe zur bildenden Kunst auf, wenn Skizzen aussehen wie Werkentwürfe von Erwin Wurm, Bewegungsskizzen von Adolph von Menzel, Collagen von Oskar Schlemmer oder Hannah Höch und Materialbilder von Kurt Schwitters bis hin zu Bildern der französischen Straßenkünstler am Pariser Montmartre oder Designentwürfe der 1950er-Jahre. „In diesem Bereich der Vorarbeiten begegnet mir unsere europäische Kunstgeschichte, die dann in der finalen Fortführung auf amerikanische Übersetzungskultur trifft“, stellt Nowak fest.

Die Räume des Kapitels zum Film „Die Monster AG“ (Monster, Inc.) sind gestrichen wie in einem Kunstmuseum: lindgrün. Till Nowak gefällt das, wie ihm der Film an sich auch ganz besonders gefallen hat. „An dem Film begeistert mich wie die Räume der Wirklichkeit mit Traum und Illusion verknüpft und dann Grenzen ausgelotet werden. Er kehrt Bereiche einfach um, geht von der Wirklichkeit der Monster aus und nicht von der der Kinder. Der zentrale Fokus liegt auf dem Wirkungsbereich von Monstern, deren Aufgabe es ist, Kinder zu erschrecken. Das echte Kinderzimmer ist hier, die weit entfernte Traumwelt der Monster.“

Auch den Bewegungszeichnungen und emotionalen Studien der einzelnen Monster kann Nowak viel abgewinnen. „Mit wenigen Strichen sind die Charaktere schon extrem deutlich gesetzt, die kleine Kreisfigur wirkt witzig, quirlig und verspielt, die große eckige Monsterfigur scheint behäbig, naiv und ein wenig tumb zu sein. Wenn das so früh schon sichtbar ist, wissen die Animatoren, dass das Grundkonzept funktioniert. Jede weitere Ausarbeitung macht an diesem Punkt Sinn. Dann geht die Maschinerie der Technik los. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Wir sehen hier die Spitze eines Eisbergs. Im Abspann der Filme sieht man dann wer alles daran gearbeitet hat, an der Spitze das Art Department, dann eine Heerschar derjenigen, die das ganze technisch umsetzen.“

Von vielen Kritikern wird der Kinoerfolg „Die Unglaublichen“ (The Incredibles) aus dem Hause PIXAR als der innovativste Animationsfilm angesehen. Zur Antwort warum das so ist sagt Nowak: „Er ist raffiniert, witzig bis absurd und auf den Punkt gebracht. Die Akzentuierung des Designs ist einmalig und kann meines Erachtens auch so schnell nicht übertroffen werden. Der Film ist manchmal eine feinsinnige Karikatur der Wirklichkeit, allein wie die permanent pubertierende Tochter, die sich selbst total cool empfindet im Film dargestellt ist, ist einfach großartig!“

„Ratatouille“ wirkt dagegen wie ein Historienfilm, das Licht ist weich und aquarellhaft und die Ausstellungsexposés zeigen ein altes Europa. Tiere und Menschen sind wie selbstverständlich auf einer kommunikativen Ebene vereint.
Eine Abteilung weiter geht es um den Film „Oben“ (Up). „Die sperrige Hauptfigur Carl, die von Lou Romano entwickelt wurde, wie schon die Charaktere von „Die Unglaublichen“, ist für mich die am besten ausgearbeitete und differenzierteste. Im Film gibt es eine minutenlange Szene in der mit Hilfe einer Rückblende Carl mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau zu sehen ist. Die beiden genießen das Leben und die Zuschauer müssen sich die Tränen verkneifen, weil alles so rührselig dargestellt ist. Beispielhaft sind auch die Metaphern im Film, es gibt welche die das Sterben thematisieren oder die Ortlosigkeit. Leider fällt der Film dann in der zweiten Hälfte in ein Actionepos ab.“

Sowohl in „Findet Nemo“ als auch in „wall-e“ sind deutliche Fortschritte der Animationstechnik zu sehen. Die metallische, abgenutzte Atmosphäre, die Gebrauchsspuren unseres zugemüllten Planeten sind in einer unglaublichen Detailkonsequenz definiert.

Während im unteren Stockwerk Skizzen und Charakterentwicklung im Mittelpunkt stehen, fokussieren die Ausstellungsmacher im oberen Geschoss des Museums die szenischen Merkmale, Storyboards, Sequenzen und Colorscrips.
„Colorscrip bedeutet, dass der ganze Film in zusammenhängenden Farbcodes ausgearbeitet wird“, erklärt Nowak: „Dazu sind die detaillierten Figuren gar nicht notwendig und auf den Bildtafeln kann man es hier gut erkennen, dass es sich um eher abstrakte Aneinanderreihungen von Sequenzen handelt, um feststellen zu können, in welchem Stadium sich der Film gerade befindet. Farbe befördert Emotion. Interessant finde ich an den Colorstrips, dass diese abstrakten Darstellungen fest zum Entwicklungsprozess eines so perfekten und aufpoliert erscheinenden Endergebnisses gehören.“

Für Till Nowak ist es zum Schluss interessant auf welche Bereiche sich die Ausstellungsmacher von PIXAR konzentriert haben. Sein Fazit lautet:“ Die Auswahl der Ausstellung ist sehr gelungen, weil sie zwar den technischen Prozess nicht außer Acht lässt – man sieht Elemente wie Filme computertechnisch umgesetzt wurden, der Fokus aber liegt darauf zu zeigen, welcher künstlerische Anspruch dahinter steckt. Ich glaube das wird vielen Besuchern der Ausstellung erst hier bewusst. Was man nämlich im Kino nicht erkennen kann ist die tatsächliche Dimension und die Filme werden hier entsprechend kulturell aufgewertet. Das Museum für Kunst und Gewerbe ist der ideale Ort für eine solche Schau.“

„PIXAR 25 Years of Animation“

ist noch bis zum 12. Mai 2013 zu sehen im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz in 20099 Hamburg
Das Rahmenprogramm mit Vorträgen, Filmvorführungen und Workshops finden Sie unter:
www.mkg-hamburg.de
Individuelle Führungen, auch mit kreativer Praxis sowie Museumsgespräche auf Englisch: www.museumsdienst-hamburg.deÂ
Der Katalog ist für 29 Euro erhältlich.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 10-18 Uhr, Donnerstag: 10-21 Uhr, Donnerstag an oder vor Feiertagen: 10-18 Uhr. Geschlossen: montags, 1. Mai 2013.


Abbildungsnachweis: Alle © 2012 Disney Enterprises, Inc./Pixar.
Header: Detail aus Lou Romanos Colorscript „Die Unglaublichen, 2004, Digitalzeichnung.
Galerie:
01. John Lasseter: Luxo – die kleine Lampe, Pastell, 1986, 37,5x45,1 cm
02. Greg Dykstra: „Russell“, Up, 2009, Urethanharz-Abguss, 17,8x16,5x16,5 cm
03. Bob Pauley: „Woody and Buzz“, Toy Story, 1995, Reproduktion mit Blei- und Farbstift, 20,3x24,1 cm
04. Joe Ranft: Detail aus Storyboard: „Army Men“, Spielzeugsoldaten, Toy Story, 1995, Tinte und Farbstift, 14x21,6 cm
05. Pete Docter: „Sullivan and Mike“, Die Monster AG, 2001, Filzstift, 27,9x21,6 cm
06. Geefwee Boedoe: „Miscellaneous Monster“, Die Monster AG, 2001, Acryl und Collage auf Papier
07. Jason Deamer: „EVE“, WALL•E – der letzte räumt die Erde auf, 2008, Tinte und Filzstift, 27,9x21,6 cm
08. Teddy Newton: „Edna Mode (aka “E”) House“, Die Unglaublichen (The Incredibles), 2004, Collage, 38,1x45,1 cm
09. Bryn Imagire: „Plant Study“, Oben (Up), 2009, Gouache, 38,1x25,4 cm
10. Ricardo Curtis, Storyboard: „Suspicious Bob“, Die Unglaublichen (The Incredibles), 2004, Digitalbild
11. Jill Culton: „Sullivan and Boo in Door Vault“, Die Monter AG (Monsters, Inc.), World Vitrine, 2001, Filzstift und Korrekturflüssigkeit, 33x26,7 cm
12. James Baker: „Turtles“, Findet Nemo (Finding Nemo), 2003, Farbstift
13. Robert Kondo: „Emile und Remy“, Ratatouille, 2007, Digitalbild
14. Jay Shuster, color by Jack Chang“ Finn McMissile“, Cars 2, 2011, Digitalbild.Â

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