Kunsthandwerk, Grafik & Design

Es ist eine wahrhaft opulente Schau, ganz im „Dienst der Schönheit“, wie Kurator Jürgen Döring sagt. Die komplette „Belle Etage“ des Museums für Kunst und Gewerbe hat er der großartigen Sammlung der Münchner Galeristin Joelle Chariau gewidmet. Rund 170 Blätter von 1912 bis heute zeigen die Entwicklung der Gattung Modezeichnung auf, deren Eigenständigkeit mit dem Aufkommen von Modemagazinen wie Vogue, Gazette du Bon Ton oder Harper’s Bazaar begann. Modeillustrationen gibt es zwar seit der Antike, doch erst zu Beginn des 20. Jahrhundert nabelte sich das Genre vom Abbild ab und etablierte sich als eigenständige, höchst delikate Kunstform: Zeitgenössische Zeichner wie die Pariserin Aurore de La Morinerie (52), der Schwede Mats Gustafson (64) oder Francois Berthoud (53) verstehen es, mit wenigen Strichen das Wesen einer Kreation einzufangen. Oder, besser gesagt, den Geist, denn mitunter fällt nicht mehr als ein Tusche-Schatten oder eine kaligraphisch anmutende Linie auf das Papier.

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Die chronologische „Reise durch die Zeit“ (Joelle Chariau) beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts mit Arbeiten von Georges Lepape, André Edouard Marty, Charles Martin und Pierre Brissaud. Schon hier wird klar, wie stark sich die Zeichner von den Kollektionen lösten, die Modeentwürfe interpretierten, überhöhten, stilisierten – und dabei Anleihen machten bei den Kunstströmungen der Zeit, beim Jugendstil, bei Art Déco und Expressionismus.

Überhaupt wird in dieser Schau sinnfällig, wie stark die bildende Kunst die Modezeichnung durchdringt: René Gruau (1909-2004), der Dior-Zeichner, der die öffentliche Wahrnehmung der Haute Couture ganz maßgeblich prägte – Hubert de Givenchy nannte ihn einmal den „großartigsten Illustrator der Welt“ – nahm Einflüsse von Edgar Degas, Toulouse-Lautrec und Picasso auf. Antonio (1943-1987), Star der 60er- und 70er-Jahre, Lagerfelds Mitarbeiter und Andy Warhols Freund, experimentierte was das Zeug hielt, verarbeitete Op Art, Pop Art und Roy Lichtensteins Comic-Sprache.

Besonders spannend aber sind die Tendenzen der Gegenwartszeichner: Die flächigen, schwarzweißen Aquarell- und Tusche-Zeichnungen von Mats Gustafson, wirken teils wie die informelle Kunst eines Dieter Roth oder Emil Schumachers und die hingehauchten Pinselstriche von Aurore de La Morinerie wie die Zeichnungen eines japanischen Zen-Meisters. Sähe man nur diese Blätter, man würde nie im Leben vermuten, dass es sich um Modezeichnungen handelt.

Wer die Schau versäumt, dem sei übrigens der außerordentlich umfangreiche und hervorragend aufgemachte Katalog empfohlen. (Prestel Verlag, 45 Euro im Museumsshop, 50 Euro im Buchhandel).

„Bilder der Mode. Meisterwerke aus 100 Jahren“
Zu sehen bis zum 3. Mai 2015 im Museum für Kunst und Gewerbe. Steintorplatz in Hamburg
Geöffnet: Di–So 10 –18 Uhr, Do bis 21 Uhr.


Abbildungsnachweis:
Header: Antonio, Joanne Landis, Carnegie Hall Studio, 1967, veröffentlicht in The New York Times Magazine, Tuschfeder und Collage, 61x48cm
Galerie:
01. Antonio, At Home, 1967, veröffentlicht in The New York Times Magazine, Mixed Media, 56 x 22 cm, © Courtesy of Estate of Antonio Lopez and Juan Ramos and Galerie Bartsch & Chariau
01. Aurore de La Morinerie, Allure II, 2009, Monotypie auf Japanpapier, 43x33cm, © Aurore de La Morinerie
03. Mats Gustafson, Linda Evangelista, 1999, für Harper’s Bazaar, Farbtinte, 38x28,5cm, © Mats Gustafson / Art + Commerce
04. Mats Gustafson, Schwarze Jacke und Tutu, 2005, Mode von Comme des Garçons, Aquarell und Tusche, 37x28cm, © Mats Gustafson / Art + Commerce
05. Réne Gruau, Ohne Titel, 1955, Mode von Dior, veröffentlicht in International Textiles, Tuschpinsel und Gouache, 39,5x27,5cm, © SARL René Gruau
06. François Berthoud, Balenciaga Runway, 2006, veröffentlicht in AD France, C-Print, 45x35cm, © François Berthoud
07. François Berthoud, YI, 2012, veröffentlicht in Numéro, FR, C-print, © François Berthoud
08. Georges Lepape, Ohne Titel, 1916, veröffentlicht in Feuillets d’Art, Gouache und Aquarell, 34x26cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
09. Georges Lepape, Ohne Titel, 1922, veröffentlicht in Vogue UK (Titelbild), Bleistift, Gouache und Aquarell, 34x26cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
10. Christian Bérard, Ohne Titel, 1938, veröffentlicht in Vogue (Titelbild), Tuschpinsel und Aquarell, 35x20cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014.