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Fotografie

Gursky, 1955 in Leipzig geboren, hat zunächst in Essen visuelle Kommunikation studiert und von 1985 bis 1987 bei Hilla und Bernd Becher an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf das traditionelle Fotografenhandwerk gelernt. In diese Zeit fallen seine frühen Arbeiten „Zürich I“, „Klausenpass“ oder „Gasherd“. Die Landschafts- und Architekturaufnahmen „Ruhrtal“ oder „Mülheim an der Ruhr“ der späten 80er-Jahre beinhalten bereits sein ambivalentes Verständnis von Raum und Mensch. Idyllische, an die romantische Malerei des 19. Jahrhundert erinnernde Szenarien, in denen neben der Natur und Architektur der Mensch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Fotografiert er anfangs noch mit der Analogkamera, wendet sich der Künstler ab 1993 der digitalen Bildbearbeitung zu. Aus vielen einzelnen Fotosequenzen kreiert und manipuliert er am Computer neuartige Bildinszenierungen, die mittels Maus-Klick montiert, reduziert oder retuschiert werden. Ein Novum in der Fotografie, die doch eigentlich der Realität verpflichtet ist. Das mag zwar sein, aber es sind gerade diese technischen Manipulationen, die einem Künstler wie Gursky viele innovative, kreative Impulse ermöglichen und seinen Arbeiten dennoch eine vermeintlich fotografische Objektivität verleihen. Mit der digitalen Bearbeitung nehmen seine Kompositionen geradezu gigantische Dimensionen an – vier Meter Breite oder drei Meter Höhe sind keine Seltenheit.

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„Paris, Montparnasse“ von 1993 ist eins der ersten, am Computer konstruierten Fotos. In Frontalansicht aufgebaut, zeigt die als Breitformat angelegte Komposition einen mehrstöckigen Wohnkomplex. Streng in horizontale und vertikale Flächen gegliedert, vermittelt erst die Nahsicht persönliche Details seiner Bewohner: die bunte Farben der Gardinen, Blumen und Einrichtungsgegenstände.

Parallel zu den Architekturfotos setzt Gursky sich mit der Ansammlung von Menschen auseinander. Ein Phänomen, welches er bei Rockkonzerten, Festivals, Demonstrationen, Polit- und Sportveranstaltungen, in Börsensälen, bei Fabrikarbeitern in der Dritten Welt etc. studiert. In seinen Bildmontagen sind Menschen entweder Teil einer anonymen Masse oder - kaum erkennbar - als unbedeutende Statisten in das Bild integriert. Ein etwas negativer Aspekt seiner Fotokunst ist die Monumentalität, die enorme Anforderungen an den Betrachter und seine Sehgewohnheiten stellt: wechselnden Perspektiven, das Weitwinkel-Panorama sowie Fern- und Nahsicht erfordern, um Details zu erkennen, einen permanenten Standortwechsel. „Meine Bilder“, so der Künstler, „sind immer von zwei Seiten komponiert. Sie sind aus extremer Nahsicht bis ins kleinste Detail lesbar. Aus der Distanz werden sie zu Megazeichen.“

Die aus der Vogelperspektive aufgenommene Fotoarbeit „Nha Trang“ (2004) belegt die Massenproduktion von Korbstühlen in der Dritten Welt. Bis an den Bildhorizont erstrecken sich die optisch immer kleiner werdenden Reihen von emsig arbeitenden Menschen. „Katar“, 2012, ist eine erstmals öffentlich gezeigte Fotoarbeit. Was auf den ersten Blick wie ein gold-funkelnder Heiligenschrein aussieht , entpuppt sich in der Realität als technoid glänzender Flüssiggastank. Zur Reinigung entleert, konnte Gursky auf einer Leiter hinabsteigen und den Innenraum fotografieren. In der unteren Bildhälfte sind zwei kaum erkennbare Gestalten eingefügt, welche die immensen Größenverhältnisse verdeutlichen.

Neben zahlreichen opulenten Bildkompositionen, entsteht ab 1993 seine, inzwischen auf 16 Arbeiten angewachsene Werkserie mit der Bezeichnung „Ohne Titel“. In monochromen Farben gehalten zeigt zum Beispiel „Ohne Titel I“ von 1993 den in Nahansicht fotografierten grauen Teppich der Düsseldorfer Kunsthalle oder „Ohne Titel XVI“, 2008, eine kalte, grau-schimmernde, wabenartige Wanddekoration. Zu der Serie gehören ebenfalls Fotografien, welche sich dem Thema Malerei widmen, explizit den Gemälden von Jackson Pollock, „Ohne Titel VI“ oder denen von John Constable und Vincent von Gogh. Letztere sind in so extremem Detail fotografiert, dass auch die kleinsten Pinselstriche erkennbar werden.

Faszinierend ist seine sechsteilige Bildserie „Ocean“, in der der Künstler erstmals auf Satellitenbilder zurückgreift. In großen Hoch- und Querformaten konzipiert, zeigen sie – quasi als Blick aus dem All – die riesigen Flächen der Ozeane mit angrenzenden Landpartien sowie Bilder des unter Schnee und Eis bedeckten Kontinents der Antarktis. Die tiefblauen, fein nuancierten Wasserflächen - in akribische Feinarbeit am Computer bearbeitet – deuten die unterschiedlichen Tiefen der Meere an.

Anders als die Satellitenaufnahmen, zeigt die Serie „Bangkok“ Bilder, die von einem Bootssteg auf dem Chao Phraya in Bangkok fotografiert wurden. Während des Monsuns tritt der Fluss über seine Ufer und entwickelt sich zu einer reißenden, zirkulierenden Wasserflut. Zivilisationsmüll wie Plastikbecher, Gummireifen, Getränkeflaschen, Ölreste aber auch Äste und Pflanzen schwimmen auf der schwarzen Wasseroberfläche und werden von der Strömung mitgerissen. Für seinen aus neun, hochformatigen Arbeiten bestehenden Werkzyklus retuschiert der Künstler den Unrat – bis auf wenige Ausnahmen. In Anlehnung an die flirrenden Licht- und Farbspiele der Impressionisten gestaltet Gursky eine grafische Oberflächenstruktur des fließenden Wassers: wellenförmig und mit changierenden Farbakzenten, auf denen das Licht zu tanzen scheint. Tritt der Besucher jedoch an das Foto heran, kann er den auf dem Wasser treibenden Unrat identifizieren.

Es sind gerade die letzten Werkserien, die einen nachdenklichen, gereiften Gursky zeigen. Sozial-kritische Komponenten vermeint man in seinen künstlerischen Arbeiten zu erkennen: Sind die Bilder von Umweltverschmutzung, Klimaveränderungen sowie der Globalisierung des Marktes als Zeitdokument zu verstehen? Sein fotografischer Blick hat jedenfalls an Objektivität gewonnen. Wimmeln seine riesigen, als singuläre Tafelbilder inszenierten Einzelstücke noch von Menschenmassen, sind die letzten Fotoarbeiten von Menschen entleert. Ein weiterer Aspekt ist seine Reflexion auf die Malerei, die er in der Werkreihe „Bangkok“ mit den digitalen Möglichkeiten der Fotografie nutzt. Hier schwindet der Unterschied zwischen einem gemalten Bild und der gemalten Fotografie.
In Gurskys Person vereinigen sich daher mehrere künstlerische Positionen: Er ist Fotograf, Fotokünstler, digitaler Bilderfinder und Maler-Fotograf.

„Meine Bilder sind für die Ewigkeit, das ist ein sehr hoher Anspruch. Nicht alle Bilder schaffen das, aber darum geht es mir“, so Andreas Gursky. Schau' n wir mal!


Die hervorragend kuratierte Schau „Andreas Gursky“ im Museum Kunstpalast in Düsseldorf ist ein absolutes Highlight. Sie ist bis zum 13. Januar 2013 zu besichtigen.
Im Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, in 40479 Düsseldorf
Öffnungszeiten: Di-So, 11 – 18 Uhr, Do, 11 – 21 Uhr
Ein Katalog ist erschienen.


Fotonachweis für alle Abbildungen: © Andreas Gursky / VG Bild-Kunst, Bonn
Header: Detail aus ohne Titel XV, 2008, C-Print, 237 x 506 x 6,2 cm. Courtesy: Sprüth Magers Berlin London
Galerie:
01. Bahrain I, 2005, C-Print, 306 x 221,5 x 6,2 cm (gerahmt). Courtesy: Sprüth Magers Berlin London
02. Ocean I, 2010, C-Print, 249,4 x 348,4 x 6,4 cm. Courtesy: Sprüth Magers Berlin London
03. Katar, 2012, Inkjet-Print, 249 x 337,3 x 6,2 cm. Courtesy Sprüth Magers Berlin London
04. Bangkok V, 2011, C-Print, 307 x 227 x 6,2 cm (gerahmt). Courtesy: Sprüth Magers Berlin London
05. Blick in die Ausstellung ANDREAS GURSKY im Museum Kunstpalast, Düsseldorf. Links: Hamm, Bergwerk Ost, 2008, 307 x 223,6 cm. Courtesy Sprüth Magers Berlin London; Rechts: Bahrain I, 2005, 306 x 221,5 cm. Courtesy Sprüth Magers Berlin London. Foto: Stefan Arendt, Medienzentrum Rheinland
06. Blick in die Ausstellung ANDREAS GURSKY im Museum Kunstpalast, Düsseldorf. Ohne Titel XXII, No. 1, 2000, 275 x 177,3 cm. Courtesy Sprüth Magers Berlin London. Foto: Julia Reschucha, Medienzentrum Rheinland.
07. Andreas Gursky, Foto: Bernd F. Ahrens

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