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Film

Die Gefahr besteht, dies ist glücklicherweise kein Feel-Good-Movie zum Thema des würdevollen Alterns im Stil von John Maddens „Best Exotic Marigold Hotel” oder gar jene verlogene klischeebefrachtete Farce „Late Bloomers” mit Isabella Rossellini und William Hurt. In „Le Weekend” bleibt der Zuschauer verschont von Patentlösungen, einlullenden Lebensweisheiten oder trügerischer Romantik, um so mehr berühren die Melancholie, Ängste, Verunsicherung, Hoffnungen und Enttäuschungen der Protagonisten. Nick ist Philosophiedozent, Meg Biologielehrerin. Wenn eloquente Akademiker sich fetzen, eröffnet das ungeahnte Möglichkeiten an schwarzem Humor, bissigen Pointen. Doch Drehbuchautor Hanif Kureishi („Intimacy”, „Mein wunderbarer Waschsalon”) und Regisseur Roger Michell („Hyde Park Corner”, „Nottinghill”) überstrapazieren bewusst weder Komik noch Tragik, folgen der Tradition britischen Understatements.

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Nick hat dasselbe Hotel gebucht wie damals auf der Hochzeitsreise, es entpuppt sich als wirklich scheußlich, wieder ein willkommener Anlass für harsche Vorwürfe seiner Gattin. Meg stürmt davon, ins nächste Taxi, der Ehemann trottet hinterher. Der nächste Stopp eine Luxusherberge, die das Budget des Paares weit übersteigt. Die Concierge verkündet stolz, in der Suite hätte schon Tony Blair geschlafen. „Hoffe, die haben die Bettwäsche gewechselt”, murmelt Nick. Noch hat er nicht gebeichtet, dass er seinen Job verliert. Die Sorge um Finanzen und Zukunft quälen ihn. Sacre Coeur, der Friedhof Montparnasse, ein kleines edles Restaurant, manchmal vergisst das Paar seinen Dauerzwist für ein paar Minuten, dann ist da aber sofort wieder die alte Gehässigkeit. Nur, warum muss er auch beim Essen laut schmatzen, während sie von einem anderen Leben träumt. Meg möchte Italienisch lernen, Nick dagegen vermutet, sie will die Scheidung. Sie sehnt sich nach Veränderung, er redet von Badezimmerkacheln. Die zwei sind ernüchtert, verbittert und enttäuscht, vielleicht mehr von sich selbst als vom Anderen. Sie lieben sich noch immer, nur genügt es um weiter zusammen zu bleiben?

Manchmal scheint die Ehe unwiderruflich zerstört. Wenn die beiden aber im Restaurant die Rechnung prellen, kichernd davon rennen wie überdrehte Teenager, werden sie zu perfekten Komplizen, anarchistisch, waghalsig, erinnern an Jean-Luc Godards „Außenseiterbande” (1964). Nick und Meg entdecken ein Stück ihrer verloren geglaubten Leichtigkeit und Jugend wieder. Der Regisseur dreht seine Großstadtballade in der verspielten, unbekümmerten Manier der französischen ‚Nouvelle Vague’. Die Fotographie von Nathalie Durand mit ihrer flüchtigen, beiläufigen Eleganz, dem amüsant bizarren Nebeneinander von Authentizität und Phantasie macht die Illusion perfekt. Schon in der ersten Szene des Films setzt Komponist Jeremy Sams die Musik von Miles Davis ein aus Louis Malles „Fahrstuhl zum Schafott” (1958). In einem dieser sorgenlosen, verwegenen Momente der Zärtlichkeit, entdeckt Morgan (Jeff Goldblum) das Paar. Der ehemaliger Freund von Nick aus Cambridge-Zeiten ist ein erfolgreicher Autor geworden und ein unerträglich charmanter Snob. Er flirtet sofort mit Meg, rühmt ihren Ehemann als sein einstiges Idol, lädt beide für den nächsten Abend zur Dinner Party ein.

Im riesigen luxuriösen Hotelbett verweigert sich Meg wie wahrscheinlich schon so oft den tollpatschig sexuellen Avancen von Nick. Er ist verrückt nach ihr. Sie weiß um ihre Macht, er nicht und deshalb hat er keine. So bastelt er denn im Nebenzimmer an Collagen und lauscht seinem einzigen Weggefährten, Bob Dylan: „How does it feel...” Schnitt, bevor es heißt: „To be on your own.” Meg wacht auf voller Panik, ungeheuer erleichtert, den Gatten in der Suite noch vorzufinden. Ihre Beziehung ist voller Widersprüche. „Man kann nicht dieselbe Person lieben und hassen”, sagt Nick irgendwann, diesen beiden gelingt es fast. Sie sind von einander abhängig, doch die Nähe des Anderen macht sie aggressiv, ungeduldig, bösartig. Meg die Stärkere, die Attraktivere, kennt keine Skrupel, ein Schlag und der alte Nick landet auf dem Kopfsteinpflaster und sie hat nur ein verächtliches Lachen für ihn. Meg fühlt sich eingesperrt, will raus. Auch bei Godard geht es immer wieder um Gefängnisse und den Ausbruch daraus: Die großbürgerliche Wohnung in „La Chinose”, das Irrenhaus in „Prenom: Carmen”, das Hotelzimmer in „Detektive“.

Lindsay Duncan als Meg ähnelt trotz ihrer 62 Jahre äußerlich verblüffend Julie Delpy als Celine. Der Vergleich mit Richard Linklaters „Before Midnight” liegt nahe. Die Sympathien gehören jedoch Jim Broadbent, dem Ehemann per excellence wie in „Iris” (2001, Oscar-Nominierung für die beste Nebenrolle). Richard Eyres bewegendes Drama über die an Alzheimer erkrankte Iris Murdoch (Judi Dench) wurde zur unvergesslichen Elegie einer großen selbstlosen Liebe. Ähnlich anrührend verkörpert Broadbent den Ehemann in „Die Eiserne Lady” (2011). Das umstrittene Politikerporträt („Unkritisch”, „Pietätlos”, „Sentimental” hieß es) ist aber weniger Biopic als die Auseinandersetzung mit Alter, Identität, Verlust und als solches grandios. Einsam, gebrechlich, verwirrt lebt die 86jährige einstige Parteichefin der Konservativen (Meryl Streep) zwischen Realität und Wahn. Ihre Demenz wird hier zum Kunstgriff: In dem poetischen Freiraum vermischen sich Erinnerungen und Gegenwart, bleibt der längst verstorbene Ehemann Denis als sarkastisch liebevoller Clown für den Zuschauer ebenso lebendig wie für seine starrsinnige und noch immer unbeugsame Maggie. Geschickt verbindet Regisseurin Phyllida Llyod Persönliches mit Politischem.

Seine Partnerinnen auf der Leinwand sind dominant, doch Broadbent (Royal Shakespeare Company) macht die Nebenrolle des skurril tragischen Kauz jedes Mal zur Hauptrolle, sein schauspielerisches Talent ist verblüffend. Die elegante Dinner Party bei Morgan am Boulevard Haussmann wird Katharsis, Konfession und Höhepunkt des Films. Wie bei Godard hier ist nichts vorhersehbar, die ständigen Stimmungswechsel des Paares zwischen trügerischer Zusammengehörigkeit und missmutiger Bissigkeit haben zumindest vorübergehend ein Ende. Meg probiert ihre Reize an einem jüngeren französischen Intellektuellen aus, während Nick erschüttert feststellt, dass sein Freund alles erreicht hat, was ihm verwehrt blieb: eine internationale akademische Karriere, ein illustrer Freundeskreis, eine zweite junge Gattin, attraktiv, schwanger, und selbstverständlich ist Morgan wohlhabend, sexy, wie geschaffen für Designerklamotten. Unfassbar, dass er einmal das Vorbild dieses Mannes gewesen sein soll. Aber genau hier liegt vielleicht das Problem, es sind nicht Alter und Ehe, die Nicks Leben zerstört haben, er hat seine Ideale verraten, vergessen wie viele seiner Generation. Die alten Werte wurden auch nie durch neue ersetzt, die scheinbare finanzielle Sicherheit war eine Illusion, die Kinder sind aus dem Haus und so bleibt ihm nichts als Verzweiflung. Doch noch ergibt er sich nicht kampflos.

Wenn Ehen auch oft nicht von Dauer sind, die Zusammenarbeit zwischen Künstlern durchaus. Hanif Kureishi, 59, geboren in Bromley/Kent, ist Sohn eines Pakistaners und einer Engländerin. Der südafrikanischer Regisseur Roger Michell, 57, wuchs in Syrien und der Tschechoslowakei auf. Ihre gemeinsame Arbeit begann mit der TV Serie „The Buddha of Suburbia” (1993), mit der Kureishi zur Ikone des Multikulturalismus wurde. Es folgten „The Mother” (2003) und „Venus“ (2006) fürs Kino.

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Originaltitel: „Le Week-End”
Regie: Roger Michell
Drehbuch: Hanif Kureishi
Darsteller: Jim Broadbent, Lindsay Duncan, Jeff Goldblum
Großbritannien, 2013, Länge: 93 Minuten
Kinostart: 30.01.2014, Verleih: Prokino

Fotos & Trailer: Copyright Prokino

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