Film

Vom Ritus des Abschiednehmens
Gutes Kino funktioniert durch gute Bilder. So auch bei „Silent Souls“, für das der Kameramann Mikhail Krichman 2010 in Venedig ausgezeichnet wurde. Die karge Weite Zentralrusslands während der Autofahrt, die märchenhaft anmutende Stimmung bei den Rückblenden in die Jugend des Erzählers, die puristische Strenge bei der Dokumentation der Handlungen – sie schaffen im Verbund den idealen Rahmen für die Erzählung, wie zwei Männer nach dem alten Ritus des finno-ugrischeVolkes der Merja den Leichnam einer geliebten Frau ins Jenseits überführen.

Im Auto machen sich Miron und Arkis auf die Fahrt zum Nerosee, wo „alles begann“. Hinter ihnen, auf der Rückbank, der sorgfältig gewaschene, nackte Körper der verstorbenen Tanja. Zwischen ihnen ein Vogelbauer mit zwei Spatzen, die zunächst nur deshalb mit auf die Reise gehen, weil sie ohne ihren Besitzer verhungern würden. Der leblose Körper der Frau soll am Ufer des Sees eine Feuerbestattung erhalten, die Asche danach ins Wasser gestreut werden. Der Ehering wird von Miron hastig, fast achtlos, in die Wellen geworfen. Kaum Tränen, wenig Sentimentalitäten – eher eine pragmatische Verrichtung des Nötigen. Und doch gewinnt die Verstorbene durch das gemeinsame Erlebnis der beiden Männer, ihre wortkargen Gespräche und ihre Handlungen, nach und nach Profil, wird zur Persönlichkeit. Auch die Männer werden in ihrem unterschiedlichen Charakter facettenreicher, wenn man sie ähnlich betrachtet, wie die umgebende Landschaft und die subtilen Veränderungen bemerkt.

„Silent Souls“ entführt das Publikum unmerklich auf eine Reise zum eigenen Mittelpunkt des Denkens und Fühlens. Wenn im Kinosaal wieder die Lichter angehen, bleiben noch eine ganze Weile außer den Bildern auch die Überlegung im Kopf, wie man es selbst hält, mit dem Abschied und der Liebe –.

Eine zweite Aufführung von „Silent Souls“ (russ. OmeU) ist für Samstag, 09. Oktober, 21.30 Uhr im Passage Kino in der Mönckebergstraße 17 angekündigt. Tel.: 040 - 468 668 60.