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Film

Die Tage sind gleichförmig, ein wenig düster wie ihr etwas heruntergekommenes Apartment über dem einst glamourösen Lichtspielhaus, dem nun, Anfang der Sechziger Jahre auch hier in Baltimore das Aus droht. Wenn der Wecker klingelt, steht Elisa auf, kocht Eier, masturbiert in der Badewanne, kleidet sich an und bringt ihrem Nachbarn, dem schwulen arbeitslosen Werbezeichner Giles (rührend Richard Jenkins) das Frühstück. Er ist ihr einziger Freund, abgesehen von der redseligen Zelda (Octavia Spencer), mit der sie Seite an Seite sich durch die tristen Gewölbe putzt. Die afroamerikanische Kollegin beschützt Elisa, wenn sie mal wieder etwas spät zur Arbeit erscheint, ist ihr Sprachrohr gegenüber dem furchteinflößenden Vorgesetzten, übersetzt an Gebärden wohlweislich nur das, was keinen Ärger bringt. Von ihr erfahren wir, dass die Protagonistin als Säugling am Ufer eines Flusses gefunden wurde, mit Schnitten an beiden Seiten des Halses, jemand hatte der Kleinen die Stimmbänder durchtrennt.

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Mit Giles verbindet Elisa das Faible für Revue- und Tanzfilme, Jazz und Swing. Hingerissen betrachten die beiden im Fernsehen Schwarzweiß-Musicals der Vierzigerjahre, auf dem Sofa sitzend imitieren sie fröhlich beschwingt die Tanzschritte. „Why do robins sing in December long before the Springtime is due?” Glenn Millers Song „I Know Why (And So Do You)" gehört zu den Momenten besonderen Glücks in häuslicher Abgeschiedenheit. Die Realität draußen ist eine andere, um vieles härter, der ältliche einsame Homosexuelle schmachtet vergeblich den Verkäufer scheußlich bunter Torten an und spekuliert noch immer auf ein Comeback bei seiner früheren Firma. Er marschiert jedes Mal voller Hoffnung mit seiner Mappe los, um wieder enttäuscht zu werden. Erniedrigung, Ausbeutung, Verachtung, Gewalt gegenüber dem Schwächeren prägen del Toros Filme, das Gefühl von oben herab behandelt zu werden, kennt der 1964 in Guadalajara, dem westlichen Mexiko, geborene Künstler. Er musste als Kind zusehen, wie Menschen vor seinen Augen erschossen wurden, hat selbst die Waffe an der Schläfe gespürt. Gangster entführten seinen Vater, erst nach 72 Tagen und Zahlung des Lösegelds ließen die Kidnapper ihn wieder frei. Die Familie emigrierte in die USA.

Elisas Begehrlichkeiten beschränken sich auf wundervolle rote hochhackige Schuhe. Verständnisvoll lauscht sie Giles’ Kümmernissen oder Zeldas endlosen Tiraden über einen egoistischen faulen Ehemann. Die sanfte schüchterne Protagonistin blieb immer nur Zuhörerin, wird nie wirklich als kompletter Mensch wahrgenommen. Auch wenn sie es tapfer weglächelt, umgibt Elisa ein Hauch von Trauer, fühlt sich die mexikanische Waise auch unter Freunden noch als Fremde. Und doch ist sie es, durch die wir die Schönheit der Welt entdecken, ob es während einer nächtlichen Busfahrt die Regentropfen in den Reflektionen der Fensterscheibe sind oder jenes unbekannte sinnliche Zauberwesen vom Amazonas. Schon in den ersten Szenen wird der Zuschauer durch den Erzähler aus dem Off feierlich eingestimmt auf das versponnen Märchenhafte des Films und gewarnt, dass es um Liebe wie auch Verlust geht, eine Prinzessin ohne Stimme und ein Monster, das versucht, alles zu zerstören. Derweil treibt auf der Leinwand das Mobiliar scheinbar schwerelos in den überfluteten Wohnräumen, als wäre es ein Ozean.

Der kalte Krieg ist in vollem Gange, Amerika und Russland kämpfen erbittert um die Vorherrschaft im Weltall. Da glaubt Federal Agent Strickland (Michael Shannon) die entscheidende Wunderwaffe zu besitzen, sein Team hat eine echsenähnliche Amphibien-Kreatur (Doug Jones) in den Sümpfen Südamerikas gefangen, in Ketten gelegt und für Experimente in einen Wassertank gesperrt. Der karrieregierige Macho mit Regierungsauftrag quält und foltert das mysteriöse Wesen im Dienste der Wissenschaft. Es fließen Unmengen von Blut, offensichtlich hat jener wunderschöne Unbekannte, der in seiner Heimat als Gottheit gilt, zurückgeschlagen. Die beiden Putzfrauen werden abkommandiert, die Spuren zu beseitigen, müssen absolutes Stillschweigen geloben. Elisa erspäht zwischen Blut und Dreck zwei Finger auf dem Boden, packt sie mangels Alternative in ihre wenig sterile Papiertüte für den Pausenproviant. Strickland zeigt Zeichen von momentaner Dankbarkeit, ihm werden die Finger wieder angenäht. Elisa verliebt sich derweil in den schillernden Amphibienmann, schrittweise und sehr behutsam erfolgt die Annäherung (Kamera: Dan Laustsen).

Oscar-Preisträger Alexandre Desplat („Grand Budapest Hotel“) komponierte den Soundtrack, gibt der stummen Eliza eine Stimme. Zauberhaft, wie Sally Hawkins in der Rolle der einfühlsamen Heldin dem scheuen ungebärdigen Fremden die Angst nimmt, am Beckenrand sitzend, ihn ihre Gebärden lehrt, er schwärmt bald genau wie sie für hart gekochte Eier und Swing Melodien. Elisa, bringt einen tragbaren Schallplattenspieler mit. Kommunikation ganz ohne Worte, Seelenverwandte, die sich ohne Einschränkung gegenseitig akzeptieren. Außer Zelda ahnt niemand davon, wieder genesen erklärt Strickland, dass er, als weißer Mann ein Ebenbild Gottes sei, den elektrischen Schlagstock hat er immer griffbereit. Die beiden Reinigungskräfte werfen sich Blicke stillen Einvernehmen zu, kaum jemand kann gesellschaftliche Widersprüche besser durchschauen als eine Putzhilfe, die von Berufs wegen hinter die Kulissen schaut. „Echte Männer waschen ihre Hände bevor sie auf die Toiletten gehen und nicht danach”, erklärt der lüsterne Widerling den beiden Frauen. Seine lächerlich selbstherrlichen Auftritte sind ein gelungener Kommentar zur #MeToo-Debatte und den Möglichkeiten internen Widerstands. Der machtgierige Strickland hat es auf die schüchterne fragile Elisa abgesehen, sie kann nicht schreien, schon deshalb würde ihr Schmerz ihm größte Lust bereiten im Gegensatz zu dem wenig hingebungsvollen Sex mit der Gattin. Was dieses Ehegespann zusammenhält, sind weniger die lärmenden Kinder sondern ihre Geilheit auf Konsum.

Blutiges Rot beherrschte del Toros Horror-Chronik „Crimson Peak”, in „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ dominieren gedämpfte Grüntöne verschiedenster Schattierungen die Stimmungen, ob surreale Romantik in Aquamarin oder eiskalte Tyrannei in bräunlichem Oliv. Wasser empfindet der visionäre Filmemacher als Element des Lebens und tiefster Zuneigung, das alle Grenzen überwindet oder unterspült, keine Kreatur ausschließt. Das Drehbuch schrieb del Toro zusammen mit Vanessa Taylor („Game of Thrones”). Science Fiction und Fantasy eignen sich perfekt für politische Parabeln, Monster sind in diesem Film allein die Menschen, skrupellose Politiker wie Trump. Die Parallelen zwischen Kaltem Krieg und Gegenwart sind nur zu offensichtlich, und im Gegensatz zu „Pans Labyrinth“ verzichtet der Regisseur deshalb auf Horrorelemente, lehren uns doch die US-Agenten schon das Fürchten. Sie wollen das echsenartige Wesen töten, um es in Ruhe zu sezieren. Der Arzt Dr. Robert Hoffstetler (Michael Stuhlbarg) ist strikt dagegen, der russische Spion weiß um die Kommunikationsfähigkeit der menschenähnlichen Kreatur. Eliza ist fest entschlossen, ihren Amphibienmann zu retten und ihn irgendwann wieder dem Ozean anzuvertrauen. Obwohl, sich zu trennen scheint unvorstellbar.

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Originaltitel Film: The Shape of Water

Regie: Guillermo del Toro
Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer
Produktionsland: USA, 2017
Länge: 123 Minuten
Kinostart: 15. Februar 2018
Verleih: Fox Deutschland

Fotos, Pressematerial & Trailer: Copyright 20th Century Fox Deutschland

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