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Film

San Francisco 1998. Greg Sestro (Dave Franco) ist 19 und sehr schüchtern. Der unbedarfte tollpatschige Junge hat auf der Bühne der Schauspielschule nur einen Gedanken, was wenn die mich auslachen. Solche Skrupel sind Tommy fremd bei seiner Darbietung von Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht”, schreiend windet er sich einem vergifteten sterbenden Riesen gleich auf dem Boden. Lehrer wie Schüler reagieren mit Befremden oder besser Entsetzen, nur Greg bewundert so viel ungebändigte explosive Kraft, wünscht sich diese Art der Hemmungslosigkeit, ist überglücklich, als der Ältere sich bereit erklärt, eine Szene mit ihm einzustudieren. Das Restaurant macht Tommy zur Theaterkulisse, die Gäste werden zwangsrekrutiert als Zuschauer: „Sein oder Nichtsein“. Tommy brüllt, lallt, zwingt den Jüngeren aus sich herauszukommen, die Angst abzustreifen wie ein lästiges Korsett der Bürgerlichkeit. „Du musst der Beste sein, darfst nie aufgeben”, beschwört er den neuen Freund, seine Worte werden zur magischen Zauberformel. Beide verehren James Dean, er ist ihr großes Vorbild. Nach dem gängigen Klischee der amerikanischen Traumfabrik beginnt so eine entbehrungsreiche Karriere, die am Ende mit sagenhaftem Erfolg belohnt wird. „The Disaster Artist” aber ist einer Realität verpflichtet, wo die Sehnsucht unerfüllt bleibt.

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Man bescheinigt Tommy absolute Talentlosigkeit, das würde sich auch „in einer Millionen Jahre nicht ändern“, versichert ihm der Schauspiellehrer. “Und was ist danach?“ fragt unser Antiheld mit der schwarzen, wallenden langen Mähne, der in seiner mittelalterlich anmutenden Aufmachung einem leicht frustrierten Vampir ähnelt, der Ausschau nach neuen Opfern hält. „Haben Sie schon mal in den Spiegel geschaut?“, Bösewichte, Dracula oder Frankenstein, das wäre vielleicht was für ihn. Den Spott, die Verachtung, spürt er sie oder verdrängt der Möchte-Gern-Star die Herablassung wie viele andere Künstler, die einfach gezwungen sind, an sich zu glauben, weil es sonst keiner tut. Während die Zuschauer lachen, hingerissen von so viel überzeugender Unfähigkeit, verliert „The Disaster Artist“ ob als Farce oder Tragödie nie seine Ernsthaftigkeit. Die beiden ungleichen Freunde machen sich auf nach Los Angeles, Gregs Mutter sorgt sich um das Seelenheil ihres Sohnes. Tommys seltsamer Akzent lässt auf einen osteuropäischen Ursprung schließen, er selber behauptet aber in New Orleans aufgewachsen zu sein. Das Alter, Mitte, Ende dreißig? Eine schillernde düstere Kunstfigur, schwer fassbar, mehr Alien als Zeitgenosse. James Franco („Howl”, „127 Hours”) versucht nie, ihn zu entlarven, im Gegenteil, er hält respektvoll Abstand, lässt ihm sein Geheimnis. Woher all das schier unerschöpfliche Geld kommt, der Protagonist verrät es nicht. Greg findet bald schon eine Agentin und auch eine Freundin, letzteres missfällt Tommy. Jeder Eindringling gefährdet den gemeinsamen Traum, er will den Jüngeren, sein Babyface, ganz für sich. „Die Schöne und das Biest“, so bezeichnet er ihr Zweiergespann. Natürlich beansprucht er den Titel La Belle. Und wirklich, er kann atemberaubend schön sein für einen Moment und dann wieder fast abstoßend in seinem selbstherrlich grotesken Zorn.

Seit Greg das erste Mal „Kevin- allein zu Haus”, diese unsägliche Weihnachtskomödie gesehen hatte, stand für ihn fest, dass er Schauspieler werden wollte. Tommy lässt durchblicken, dass Einsamkeit für ihn als Kind keine Fiktion war, er neidet dem Freund dessen Unbeschwertheit. Der erhoffte Karriereschub bleibt aus. „Sie wollen mich nicht,” klagt der Protagonist und Babyface seufzt: “Ich wünschte, wir könnten unseren eigenen Film drehen“. So beginnt das kurioseste Making-of der Kinogeschichte, Tommy macht sich mit großer Vehemenz ans Schreiben des Drehbuches, agiert als Regisseur, Produzent und natürlich Hauptdarsteller. So idiotisch die Story ist, dem Geld (sechs Millionen Dollar) kann niemand widerstehen, ob Kameramann oder Script-Coach, auch ahnt keiner der Beteiligten, was ihn erwartet. Waren die ersten Reviews zu „The Disaster Artist” noch euphorisch, so sind sie nun deutlich zurückhaltender, seit nach der Verleihung des Golden Globe die Vorwürfe wegen Missbrauchs publik wurden. Plötzlich heißt es „Trash” und „Treppenwitz des Jahrhunderts”, der Film schien für manche seine Berechtigung verloren zu haben. Dabei ist grade diese Farce ein höchst gelungener Kommentar über Hollywood, zeigt exemplarisch die Machtstrukturen und den Wahnwitz der Branche. Die Dreharbeiten werden zur Tortur, gedreht wird auf 35 mm und digital, was komisch wirken mag, ist eigentlich nur erschreckend. Tommy beharrt auf einer extrem ridikülen Nacktszene, seine Aggressionen lässt er an seiner Filmpartnerin Juliette Danielle (Ari Graynor) aus. Die Mitwirkenden schweigen meist betreten, ob es um Moral geht oder die Szene völlig unnötig vor der Green Screen zu drehen. Einwände führen unweigerlich zu Wutausbrüchen. Die Rechtfertigung: „War Stanley Kubrick nett zu seinen Schauspielern, oder Hitchcock?”, schnauzt er den Freund an, er verlangt Loyalität, bedingungslose Unterwerfung- von allen. Ein Film soll ihn entschädigen für Jahrzehnte der Einsamkeit.

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Originaltitel: The Disaster Artist
Regie: James Franco
Darsteller: James Franco, Dave Franco, Seth Rogen, Zac Efron
Produktionsland: USA, 2017
Länge: 104 Minuten
Kinostart: 1. Februar 2018
Verleih: Warner Bros. GmbH

Fotos, Pressematerial & Trailer Copyright: WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND RATPAC-DUNE ENTERTAINMENT LLC

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