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Film

„Ich wollte nicht die Reichen und Schönen, Scheichs, Oligarchen oder Mitglieder irgendwelcher Könighäuser und ihre Großwildjägerei zeigen, sondern das Normale”, erklärt Ulrich Seidl („Hundstage”, „Import-Export”). „Die Jagd in Afrika ist heutzutage für Durchschittsmenschen erschwinglich. Und es ist in einem gewissen Sinne für so manchen Jäger aus der westlichen Welt, Russland oder China selbstverständlich geworden, einmal oder mehrmals im Jahr nach Afrika zu fahren, um dort täglich zu jagen. Das bedeutet in der Regel pro Tag zwei Tiere zu erlegen, eines am Vormittag, eines am Nachmittag. Ich wollte zeigen, wie das Jagen überhaupt vor sich geht und herausfinden, was Menschen, die jagen, dabei innerlich empfinden.

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In Seidls Film „Tierische Liebe” (1996) waren die Tiere Projektionsfläche der Sehnsüchte, Emotionen, Ekstasen und Triebe, avancierten zum Stellvertreter für Partner, Kinder, Freunde. Alles im Leben drehte sich nur um sie. „Das Haustier dient häufig dazu, die Vereinsamung aufgrund fehlender menschlicher Beziehungen... zu kompensieren”, so der Regisseur. „Bei den Jägern ist es genau umgekehrt: Da wird tunlichst vermieden, eine Beziehung herzustellen. Dazu gehört auch, dass man das Tier, das es zu erlegen gilt, nicht beim Namen nennt, nicht Gnu oder Zebra, sondern es als „Stück” bezeichnet.” Seidl fragt sich, warum beim Foto mit der Jagdbeute, das Blut am Körper des erlegten Tieres weggewaschen wird. Ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Opfer? „Oder ist es der Versuch eines voreiligen Gehorsams, das Getane...abzuschwächen, weil Blut und Tötung in unserer Gesellschaft so tabuisiert sind.” Gemeinsam ist beidem die Macht des Menschen über die Kreatur. „Die einen unterwerfen das Tier ihren seelischen Nöten und menschlichen Bedürfnissen, die anderen leben mit der Jagdleidenschaft ihre Machtgelüste aus.”

Immer wieder beschleicht den Zuschauer das unbehagliche Gefühl, dass über den Tötungsakt menschliche Nähe entsteht. Eine Giraffe stirbt qualvoll. Wenig später fallen sich Vater und Sohn tief bewegt in die Arme, gratulieren einander zu dem gelungenen Abschuss, vor Rührung werden Tränen vergossen, Küsse verteilt. Dergleichen Szenen wiederholen sich in verschiedenen Variationen. Jagd als Tradition oder ultimativer Kick ist vorstellbar, aber dieses kitschig heimelige Glück verblüffte denn auch Seidl. „Der Akt des Tötens scheint für sie eine Art emotionale Befreiung zu sein... Töten als Lust, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten.” Nichts erinnert an Ernest Hemingways „Die grünen Hügel Afrikas” oder „Die Wahrheit im Morgenlicht”. Da sitzt ein österreichisches Ehepaar beim gemütlichen Plausch, beide älter, übergewichtig, passionierte Großwildjäger. Er: „Ein Kudu ist eigentlich immer recht preisgünstig, also der bewegt sich zwischen 780 und 800.” Sie: „Und ein Weißschwanzgnu?” – Er: „Weißschwanzgnu ist ein bisschen teurer, kostet um die 800 oder was.” In solchen Szenen entwickelt „Safari” eine bizarre unfreiwillige Komik, die uns zugleich erschaudern lässt. Die kurzen Ausflüge in die Savanne dagegen haben etwas von einem mobilen Exekutionskommando.

„Schon in der Finanzierungsphase gab es Fernsehredakteure, die ernsthaft der Meinung waren, dass man das Töten von Tieren einem Fernsehpublikum nicht zumuten kann”, berichtet Seidl. „Da muss man sich ja zwangsläufig fragen, in welcher verlogenen Welt wir eigentlich leben? Woher kommt dieses Drängen nach Vertuschung, um „zum Wohle der Zuschauer” zu zensurieren und tabuisieren. Um Tierschutz kann es sich dabei wohl nicht handeln, eher um die Angst vor den Tierschützern. Tierschutz kann nicht heißen, das Töten von Tieren nicht zu zeigen, sondern umgekehrt: Tierschutz heißt für mich wohl gerade, das Töten zu zeigen, damit sich der Zuschauer mit dem Thema Jagd auseinandersetzen kann.” Der Autorenfilmer vermeidet auch deshalb ganz bewusst jene verklärende Ästhetik der Naturfilme, wo in Großaufnahme und Zeitlupe die erschossenen Tiere zusammenbrechen. Seidl tritt seinen Darstellern ohne vorgefasste Meinung gegenüber, er überrumpelt sie nicht. Jeder von ihnen handelt aus vollster Überzeugung und ist auch bereit, seine Entscheidungen zu begründen.

Ein deutscher Jagdtourist: „Solange man die Jagd unter kontrollierten Bedingungen ausübt, ist das alles zulässig und machbar. Insbesondere, wenn es in einem Endwicklungsland wie hier den Leuten Geld bringt. Ein Jagdtourist gibt hier in einer Woche mehr aus als ein normaler Tourist in zwei Monaten.” Das österreichische Ehepaar schwärmt vom Lungenbraten der Elenantilope, zwölf Kilo wiegt der und ist „ein Traumfleisch”. „Einen Lungenbraten mit 12 Kilo hat bei uns ja nicht einmal eine Kuh.” Seidl hat oft die Hässlichen und Einsamen, Deformierten und Außenseiter der Gesellschaft porträtiert. Die besondere Wirkung dieses Filmes liegt darin, dass die Protagonisten alles andere sind als Außenseiter der Gesellschaft.
Die sympathische Familie mit Sohn und Tochter ist wie aus einem Werbespot. Das Mädchen: „Jagd bedeutet ja nicht, dass man wahllos, ziellos irgendwelche Tiere erlegt”. Der Junge: „Eigentlich erlöst man nur die Tiere”. Das Mädchen: „Genau. Die Älteren zum Beispiel. Der Junge: „Genau. Oder Kranke.” Das Mädchen: „Oder Verletzte”. Ein Lodge-Besitzer: „Das Grundübel ist der Mensch selber, in seiner Überzahl. Weil wir, die Menschen, sind eigentlich die Spitze der Pyramide und sind überflüssig. Wenn wir verschwinden, würde es der Welt wahrscheinlich bessergehen.”

Seidl kehrt das Innerste nach außen. Es fließt viel Blut, aber erst beim Abhäuten und Ausschlachten, das übernehmen die Einheimischen. Sie bleiben stumm, es symbolisiert ihre soziale Stellung. Sie kommen mit auf die Pirsch, liegen auf der Lauer, erspähen die Zebras oder Löwen immer früher und schneller als jeder weiße Jagdführer. Nachdem die stolzen Touristen mit ihrer Beute fürs Foto posiert haben, werden die toten Tiere aufs Trucks geladen. Das sind die grausamsten wie anrührendsten Momente des Films. Danach beginnt die Verarbeitung der Tiere. Erst in diesem Moment wird dem Zuschauer wirklich bewusst, was der tödliche Schuss bedeutet. Die Gedärme quellen hervor, die Arbeiter verschwinden fast in den riesigen Kadavern. Schon in „Paradies: Liebe“ war Afrika Schauplatz von Ausbeutungsszenarios. Das Raubtier Mensch hat seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört. „Safari” bezeichnet Seidl als „einen Urlaubsfilm über das Töten und die Natur des Menschen.”

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Originaltitel: Safari 
Regie / Drehbuch: Ulrich Seidl 
Produktionsland: Österreich, 2016  
Länge: 91 Minuten 
Verleih: Neue Visionen Filmverleih 
Kinostart: 8. Dezember 2016

Fotos & Trailer: Copyright Neue Visionen Filmverleih

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