Bildende Kunst

Hier gab es Varietees wie das „Moulin Rouge“ oder das Kabarett „Chat noir“ für das Théophile-Alexandre Steinlen, gebürtiger Schweizer und Sympathisant aller Entrechteten und Gedrückten, das Plakat entwarf. Das wurde mit der schwarzen Katze auf dem roten Sockel und dem byzantisierenden Heiligenschein zu einem Markenzeichen für das Kabarett mit seinen illustren Besuchern. In solche Etablissements zogen Damen und Herren der Pariser Gesellschaft, wenn sie sich mal ein paar Stunden vergnügen wollten.

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Edgar Degas, geschätzt als Maler graziler Balletttänzerinnen, zeichnete einfühlsame Studien vom Elend der Prostituierten. Die verdienten als Arbeiterinnen in den Fabriken so wenig Geld, dass sie die Wahl hatten, zu verhungern oder ihren Körper zu verkaufen. In einer später in Holzschnitte und Radierungen übertragenen Folge stelle er den glanzlosen Alltag in Bordellen dar. Trotz ihrer Nacktheit erscheinen die Prostituierten nicht erotisch oder pornografisch, sondern eher selbstbewusst. Der von Degas bewunderte Henri de Toulouse-Lautrec war in der Welt der Bordelle wie zu Hause. Den Mädchen war er eine vertraute Erscheinung, vor der sie sich nicht zu zieren brauchten. Sie zeigten sich ihm völlig ungezwungen und in ihren phlegmatischen Posen, während sie auf Kunden warteten. In einer kraftvollen Lithographie skizzierte Lautrec La Goulue mit ihrem Partner, dem Schlangenmenschen Valentin, beim Tanzen. La Goulue, Cancan-Tänzerin und Dompteuse, regte Toulouse-Lautrec zu einer Fülle von Bildern und Zeichnungen an, als deren Synthese das berühmte Plakat mit der den Rüschenrock hochwerfenden Tänzerin Jane Avril für das „Moulin Rouge“ gelten kann.

Picasso war Anfang zwanzig, als er zusammen mit seiner Gefährtin Fernande Olivier in das kärglich ausgestattete Atelierhaus Bateau-Lavoir, das Wäscheboot, zog. Er malte farbsprühende Frauenporträts, bleiche Akte, Gaukler und Artisten. Er legte das Licht wie aus blauen und rosa Filtern gegossen auf Darstellungen von Armen und Benachteiligten. Und Picasso radierte das Omen der Armut, das frugale Mahl, bei dem ein verhärmtes Paar vor einem leeren Teller und einer ausgetrunkenen Flasche Wein sitzt.

Die vielen Facetten des Schmelztiegels Montmartre stellten vor allem Männer dar. Der Niederländer Kees van Dongen, der sozialkritische Illustrationen veröffentlicht und die Basilika Sacré Cour gemalt hatte gehört dazu wie Pierre Bonnard, den japanische Holzschnitte begeisterten und dessen Männerakt verschwommene Pinselstriche die Lenden verbergen oder Émile Bernard, zu dessen Gewohnheiten es gehörte, kräftige Farbflächen blau oder schwarz zu konturieren. Vincent van Gogh, strichelte anmutige Ansichten des Montmartre und skizzierte eine derbe Kopulationsszene. Herausragende Künstlerinnen auf dem Montmartre waren Marie Laurencin und Suzanne Valadon. Laurencin, ausgebildete Porzellanmalerin, malte Porträts mit Federn und Blumen. Der großen Komposition, auf der sie den Dichter Guillaume Apollinaire und seinen Freundeskreis darstellte, ist eine gewisse Stilisierung und Kargheit Eigen. Valadon, eine Zeit lang Modell und auch Muse einiger Maler wechselte die Seiten. Sie füllte Dutzende Skizzenbücher mit Zeichnungen, malte Akte, Porträts ihrer alten Mutter und ihres Sohnes Maurice Utrillo, verstand es dabei, die Formen scharf zu konturieren.

Die Frankfurter Ausstellung romantisiert und verklärt den „Esprit Montmartre“ nicht, zeigt vielmehr den Gegenpol zum mondänen Paris der Belle Époce als hartes Pflaster; das ist den Besuch überaus wert.


Esprit Montmartre. Die Bohème in Paris um 1900 ist zu sehen bis 1. Juni.
Schirn Kunsthalle, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
Der Katalog, erschienen im Hirmer Verlag, kostet in der Ausstellung 34 Euro.
Eintritt: 10 €, ermäßigt 8 €, Familienticket 20 €; freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren.
Video zur Ausstellung


Abbildungsnachweis: Alle © Esprit Montmartre
Header: Historische Aufnahme - Montmartre, Le Maquis, rue Caulaincourt, 1904. Collection Société d'Histoire Le Vieux Montmartre
Galerie:
01. Louis Anquetin; Femme à la voilette, 1891, Öl auf Leinwand, 81x55 cm. © Privatsammlung, courtesy of D. Nisinson
02. Ausstellungsansicht. © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2014 Foto: Norbert Miguletz
03. Henri de Toulouse-Lautrec; La troupe de Mademoiselle Églantine, 1896. Lithografie, verschiedene Farben auf sämischfarbenem Papier, 1896. © Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen. Foto: L. Lohrich
04. Historische Aufnahme- Montmartre, Rue Saint-Vincent, 1909. Collection Société d'Histoire Le Vieux Montmartre
05. Pablo Picasso; Nu aux bas rouges, 1901 Öl auf Leinwand, 66,5x52 cm. Musée des Beaux-Arts, Lyon. bpk | RMN - Grand Palais | Thierry Le Mage
06. Henri Evenepoel; Le Café d’Harcourt à Paris, 1897, Öl auf Leinwand, 114x148 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main. © U. Edelmann – Städel Museum - ARTOTHEK
07. Pierre Bonnard; Palissade, les affiches (palissade recouverte d’affiches et les vieux moulins de Montmartre sous la neige), ca. 1900
Öl auf Leinwand, 38x85 cm. Privatsammlung, Schweiz
08. Théophile Steinlen; Le 14 juillet, 1895, Öl auf Leinwand, 38x46 cm. © Association des amis du Petit Palais Genève
09. Ausstellungsansicht. © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2014 Foto: Norbert Miguletz
10. Suzanne Valadon; Nu au canapé rouge, 1920, Öl auf Leinwand, 80x120 cm. © Association des amis du Petit Palais Genève
11. Historische Aufnahme - Montmartre, Eingang des Moulin de la Galette, 1900. Collection Société d'Histoire Le Vieux Montmartre
12. Historische Aufnahme - Montmartre, Frauen am Brunnen, Place du Tertre, 1900. Collection Société d'Histoire Le Vieux Montmartre
13. Henri de Toulouse-Lautrec; La Clownesse assise, Mademoiselle Ch-U-Ka-O, 1896, Lithografie, 51,5x39,4 cm. © Collection J.P. Gimbergues
14. Kees van Dongen; Montmartre, Le Sacré-Coeur, 1904, Öl auf Leinwand, 81x65 cm. Nouveau Musée National de Monaco. Foto: Marcel Loli. © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
15. Vincent van Gogh; The Blute-fin Mill, 1886, Öl auf Leinwand, 55,2x38 cm. Museum de Fundatie, Zwolle and Heino/Wijhe, NL.