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Bildende Kunst

Auf Einladung des Industriellen und Kunstsammlers Karl-Ernst Osthaus bezog er im neu gegründeten Hagener Folkwang-Museum ein Atelier. Wohl auf Anregung des Architekten und Designers Henry van der Velde entwarf Rohlfs Ornamente, die für die Gestaltung von Innenräumen gedacht sein konnten. Rohlfs lernte Edvard Munch kennen und Emil Nolde, den späteren Freund. Sein Werk gewann an Leichtigkeit und Frische. Er, der Sechzigjährige, fühlte sich den jungen Expressionisten geistesverwandt, ihnen zugehörig. Zehn Jahre später gab er sein Junggesellenleben auf und heiratete die wesentlich jüngere Helene Vogt. Mit ihr zog er auf ärztlichen Rat nach Ascona am Lago Maggiore. Die „verführerische Süße“ des Südens hatte Rohlfs bis dahin gemieden. Nur drei Monate im Winter arbeitete er weiterhin in seinem Hagener Atelier.

Das ungewohnte Erleben der Landschaft im südlichen Licht, die mediterrane Vegetation und das milde Klima waren Voraussetzungen eines letzten Wandels. Das Alterswerk Rohlfs ist wohl seine bedeutendste Schaffensphase; es widerspricht der Vorstellung vom erlahmten, schöpferisch ausgemergelten Greis.

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Ein merkwürdiges, mystisch lichtes Schimmern geht von den Blüten, Blumen, Häusern und Figuren aus. Die Konturen scheinen zu verschwimmen, etwas Mehrschichtiges, Transparentes, beinahe Entmaterialisiertes tut sich auf. Die Bilder sind weniger Ansichten von Sujets, eher Erscheinungen von Licht, das nicht auf den Dingen liegt, vielmehr aus ihnen heraus zu strahlen scheint.

Rohlfs benutzte jetzt ungemischte Temperafarben. Leuchtendes Zinnoberrot, tiefes Ultramarin, sattes Umbra steigern sich gegenseitig, werden durch benachbarte Farben wie Chromoxydgrün, Cadmiumgelb und Orange variiert. Rohlfs trug die Farben auf schweres italienisches Bütten oder grobfaseriges Japanpapier auf, ließ die Papierstruktur am Bild mitwirken. Manchmal wusch er unter der Dusche mit dem Pinsel die Konturen hell heraus, zog sie mit wenigen Kreidestrichen nach. Oder er löste die Konturen mit einer Bürste vollkommen auf, so dass die Formen wie durch ein feines Netz schimmern.

Rohlfs, der in Künstlerkreisen als „der Patriarch“ bekannt war, stellte in den dreißiger Jahren in Hagen, Essen, Wuppertal, Hannover sowie im Detroit Institute of Arts aus. 1937 wurden seine Werke im Rahmen der Schand-Aktion „Entartete Kunst“ aus den Museen entfernt, er selbst wurde aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. Christian Rohlfs starb am 8. Januar 1938 in Hagen.

Die Kunsthalle zu Kiel, Hort des weltweit größten Rohlfs-Schatzes aus eigenen Erwerbungen und Schenkungen, stellt jetzt in einer fein arrangierten Ausstellung Werke aller Schaffensphasen des eigenwilligen, einzelgängerischen und experimentierfreudigen Meisters vor.


"Überwältigend kühn. Der ganze Rohlfs in Kiel."
Bis zum 24. Februar zu sehen in der Kunsthalle zu Kiel, Düsternbrooker Weg 1 in 24105 Kiel
Zur Ausstellung ist ein Bestandskatalog im Hirmer Verlag. Hrsg.: Anette Weisner, Peter Thurmann und Anette Hüsch. Texte: Anette Hüsch, Peter Thurmann, Annette Weisner, Jens Christian Jensen und Julia Schönfeld-Rau. 606 Seiten; 1800 Farb- und s/w-Abb.
ISBN 978-3-937208-37-4 für 39 Euro erschienen. Der Kurzkatalog kostet 5 Euro.

Fotonachweis: Alle © Kunsthalle zu Kiel
Header: Dtaiel aus Verblühte Sonnenblumen, 1932, Tempera, Tintenstift, schwarze Kreide auf Büttenpapier, 28,4 x 39,8 cm, Erworben 1948, Schenkung Helene Rohlfs
Galerie:
01. Christian Rohlfs Ende August 1937 in Ascona. Foto: Alexander Graf Brockdorff
02. Friedhofsmauer in Weimar, 1899, Öl auf Leinwand, 40,5 x 50,5 cm. Erworben 1951 von Prof. Dr. Arthur Haseloff, Kiel. © Kunsthalle zu Kiel, Martin Frommhagen
03. Eingeborener, um 1913, Aquarell auf Papier, 11,1 x 14,5 cm
04. Allee im Belvedere von Weimar (Ausschnitt) 1899, Pastell, 22,5 x 29 cm. Erworben 1926 von Architekt Hans Arp
05. Verblühte Sonnenblumen, 1932, Tempera, Tintenstift, schwarze Kreide auf Büttenpapier, 28,4 x 39,8 cm, Erworben 1948, Schenkung Helene Rohlfs
06. Rote Tulpen, 1925, Tempera auf bräunlichem Papier, 69,8 x 50,1 cm, Erworben 1925 von Christian Rohlfs
07. Mondnacht über Soest, um 1932, Öl auf Leinwand, 69 x 45 cm, Dauerleihgabe Karl-Walter Breitling und Charlotte Breitling Stiftung 2011. © Kunsthalle zu Kiel, Martin Frommhagen

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