Bildende Kunst

Bereits während seines Geologie-Studium schreibt sich der 1938 geborene Kirkeby an der Kunsthochschule Eks-Skolen in Kopenhagen ein. Nach Abschluss des naturwissenschaftlichen Studiums und einer Dissertation über arktische Geologie, wendet er sich Mitte der 1960er-Jahre endgültig seiner Leidenschaft, der Kunst zu. Ein Mann mit vielen Talenten, der sich mit Malerei, Collage, Zeichnung und Grafik, Architektur und Bildhauerei – er formt Skulpturen aus Bronze und Backsteinen – dem Film sowie der Literatur und Dichtung auseinander setzt. Er selbst sieht sich vorrangig als Maler. „Ich bin ein Maler, der mit seinem Instinkt malt und stets verführt wird vom Malprozess und von seinen Händen, vom Pinsel und alledem“, so der Künstler, der als Professor an den Kunstakademien in Karlsruhe und Frankfurt/M. gelehrt hat.

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Seine großformatigen, häufig monumentalen Kompositionen spiegeln seine geologischen Kenntnisse sowie Eindrücke seiner Expeditionen nach Grönland, Mittelamerika und in die Arktis wider. Die Motivik erinnert an Erdkrusten, Felsformationen, Sedimentschichten, Erosionen oder vulkanische Eruptionen. Man meint variierende Landschaftsformen, mäandrierende Flüsse, Wasserfälle und Seen, Bäume und verrottende Baumstämme und – als Zeichen menschlicher Zivilisation – Holzhütten zu erkennen. Oder ist das nur die Interpretation des Betrachters?

Hinzu kommt, dass Kirkeby ein hervorragender Kolorist ist, der mit Farben und Licht spielt. Wählte der Däne in seinen frühen Arbeiten „Ohne Titel“ aus den Jahren 1980 und 1981 noch warme Erdtöne, weisen seine Malereien „Mari Anne di Bezzo“ oder „Ohne Titel“ von 2011 ein leuchtendes Spektrum von Rot-, Gelb- und Grüntönen auf. Mit kräftigem, pastosem Pinselstrich sind die Farben Schicht um Schicht aufgetragen und wieder und wieder übermalt worden. Die dynamische Oberfläche ist häufig mit dem Spachtel oder durch Ritzen und Kratzen bearbeitet. Vertikale und horizontale Farbstriche durchzucken die Bildkompositionen, verwischen sich oder gehen ineinander über. Sie korrespondieren mit fast monochromen weißen, blauen, gelben und roten Farbbalken sowie Farbflächen. Bei „Auszug aus Ägypten“, 1996, sind die kräftigen, kontrastreichen Farbfelder mit filigranen, spinnenartigen Netzen überzogen. Auch sein Bild „Gammelbo“ von 2009 wirkt geheimnisvoll. Ein stilisierter Fisch liegt auf einer hellgrünen Farbfläche im Vordergrund. Ist er ein versteinertes Fossil? Oder frisch gefangen aus einem Bach, an dessen Ufern sich dunkle, von gelben Blitzen erhellte Felswände auftürmen?

Seine im Dialog mit den Jahreszeiten der Natur stehende Bildsprache bleibt dennoch rätselhaft. Die Naturbilder sind keine gegenständlichen Abbildungen im klassischen Sinn, sondern reine Abstraktionen, in denen sich häufig zerstörerische Urgewalten formulieren. Sind es Vulkanausbrüche? Erdbeben? Verschieben sich die tektonischen Erdplatten? Auch tragen die fehlenden oder merkwürdigen Bildtitel wenig zum Verständnis seiner Arbeiten bei. Gleichwohl sehe sich der Künstler nicht als abstrakter Maler, so der Freund und Kunsthistoriker Siegfried Gohr. „Hinter jedem Bild steckt ein Motiv, das er wahrgenommen hat.“

Empfangen den Besucher in den drei Räumen im Erdgeschoss Landschaftsbilder mit einem Gewitter von Grün in allen Schattierungen, dominieren im Obergeschoss atmosphärisch ruhige, gedeckte Farbtöne. „Er sei ein altmodischer Künstler“, meint Kirkeby, „wenn die Natur im Frühling grün sei, würde er auch grüne Farbe benutzen, auch wenn er Grün eigentlich hasse. Aber da er sehr lange an einem Bild arbeitete, könnten sich im Herbst andere Farben über das Grün legen.“

Neben der Leinwand verwendet der Künstler als Malgrund unter anderem auch Papier und Masonitplatten, industriell hergestellte Holzfaserplatten. Vergleichbar mit Schultafeln, trägt er seit den späten 70er-Jahren auf diesen Träger Kreidezeichnungen auf, die seine Gedanken von Veränderung, Auslöschung, Werden und Vergehen symbolisieren. In allen Ausstellungsräumen stehen kleinformatige Bronzen, die mit ihrer rauen, kantigen Oberflächenstruktur eine harmonische Symbiose mit seinen malerischen Werken eingehen.
Per Kirkeby ist zu Recht einer der interessantesten Gegenwartskünstler. Mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, war und ist er auf zahlreichen europäischen und amerikanischen Ausstellungen sowie in großen Museen vertreten. 1981 und 1992 stellte er auf der Biennale Venedig, 1982 auf der documenta VII und zehn Jahre später erneut auf der documenta IX aus. Er lebt und arbeitet in Kopenhagen und auf der Insel Læsø im nördlichen Kattegat.

Vielleicht sollte man seine Arbeiten nicht analytisch sezieren, sondern die Farbenpracht genießen und sich der Aussage des Künstlers anschließen: „Ich bin Maler und habe ein Bild gemalt. Und mehr möchte ich dazu wirklich nicht sagen. Ein Bild erschließt sich nicht aufgrund seines Titels oder aufgrund von Erklärungen, sondern man hat sich damit abzufinden, dass es ,angeschaut' werden muss.“


Ernst-Barlach-Museum: Per Kirkeby
Zu sehen bis 3. März 2013 im Ernst Barlach Museum Wedel, Mühlenstraße 1, in 22880 Wedel
www.ernst-barlach.de
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr.

Bildnachweis:
Alle Abb.: Per Kirkeby, Courtesy Galerie Michael Werner, Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York
Header: Detail aus Ohne Titel, Öl auf Leinwand, 1980.
Galerie:
01. Ohne Titel, Öl auf Leinwand, 1981
02. Ohne Titel, Kreide auf Masonit, 1984
03. Ohne Titel, Öl auf Leinwand, 1980
04. Ohne Titel, Kreide auf Masonit, 1991
05. Ohne Titel, Mischtechnik auf Masonit, 1992
06. Ohne Titel, Mischtechnik auf Masonit, 1992
07. Ohne Titel, Tempera auf Leinwand, 2009
08. Gammelbo,Tempera auf Leinwand, 2009
09. Mari Anne di Bezzo, Öl auf Leinwand, 2011
10. Ohne Titel, 2011
11. Ohne Titel, Öl auf Leinwand, 2011
12. Modell für Tor, Bronze, 1981
13. Modell für Tor, Bronze, 1981.