Bildende Kunst


Die Schau widmet sich unterschiedlicher Themen: „Art, Nature and Science“ setzt sich künstlerisch und wissenschaftlich mit der Natur, explizit mit dem Meer und den darin lebenden Tieren auseinander. Die achtteilige Videoinstallation „Flut“ des Mecklenburger Künstlers Udo Rathke, die den Besucher der Schau empfängt, thematisiert Naturkatastrophen. Ausgebildet als Grafiker und Maler, kombiniert der Künstler in seinem Video Fotos und Fernsehbilder von Naturereignissen, Malereien und Filmen zu einer, im Cut and Paste-Verfahren entstanden, am Computer generierten visuellen Neuschöpfung. „Durch die teilweise Fragmentarisierung des Bildes mit 'Bildstörungen' und durch die Reduktion der Farbe entsteht eine Auflösung bzw. Zersplitterung der Motive.“ Sein Moving Painting „Flut“ flimmert als Endlosschleife auf den am Boden liegenden Monitoren.
Rathkes Installation korrespondiert mit der aus dreizehn naturwissenschaftlichen Fotografien bestehenden Bildserie „Census“ von Johannes-Maria Schlorke, die allerlei Meerestiere wie skurrile Fische, Krebse oder Krabben zeigt. Bilder von atemberaubender Naturschönheit, die einen scharfen Kontrast zu dem künstlichen Computerprodukt des Mecklenburgers bilden.

Galerie - Bitte Bild klicken
„Artists' Space“ dagegen zeigt Fotografien, Malereien, Installationen und Videoarbeiten von Künstlern aus Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Russland, Schweden, Dänemark und Deutschland sowie Norwegen und Island. Die in diesem Forum präsentierten Videofilme visualisieren teils witzig-humorvoll, teils politisch und sozialkritisch die eigene, kulturelle Identität und deren globale Veränderungen im europäischen Kontext.

Die Dänin Lilibeth Cuenca Rasmussen zum Beispiel parodiert in ihrer Video-Performance „Absolute Exotic“ ihre eigene Doppelidentität als Dänin und Philippinin. Als Hula-Hula-Tänzerin verkleidet, rappt sie in Begleitung von zwei männlichen Partnern vor einer exotischen Landschaft mit Palmen, Sonne, Sand und Meer sowie Affen und Schildkröten. In den ironischen Texten verarbeitet sie in ihre eigenen sexuellen Erfahrungen:
„Ditched for a witch by my ex
He was crying for more sex
Negro Chick on a manhunt
He chose that mulatto cunt
Rasta and Bob Marly style
He's a convert negrophile.“

Die Estin Marge Monko erzählt in ihrem Videofilm „Nora' Sisters“ die Geschichte von Arbeiterinnen aus der einst größten Textilfabrik Kreenholm in Narva - direkt an der russischen Grenze -, die 2010 Konkurs anmeldete. Aus schwarz-weißen Archivbilder der 1950er- und 60er-Jahre zusammengestellt, zeigt es die trostlose Arbeit der Frauen in den maroden Fabrikhallen. Die sowjetische Ideologie der Gleichberechtigung und der glücklichen und zufriedenen Arbeiterin, wird durch die unterlegten, feministischen Texte aus dem Theaterstück „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften“ der Österreicherin Elfriede Jelinek als absurd entlarvt.

In einem riesigen, mit grüner Bauplane verkleideten Drahtkäfig läuft „Oblique“ des Norwegers Knut Asdam. Die Handlung deutet die multikulturellen Veränderungen der norwegischen Gesellschaft an. Mehrere junge Menschen verschiedener Nationalitäten sitzen in einem Zug, der durch wechselnde Landschaften fährt. Trotz sprachlicher Probleme entstehen unter den Protagonisten während der langen Zugfahrt erste Kommunikationen und gemeinsame Aktivitäten.

Irritierend ist die Rauminstallation mit Klangobjekten der Russin Anastasia Ryabova. Mit dem provokanten Slogan „Vom Kindergarten auf die Barrikaden!“ ruft sie in ihrer Serie zum Ungehorsam und zur Rebellion auf. Aus den bunten Kinderspielzeugen, eigentlich zur frühkindlichen Erziehung gedacht, ertönen statt Klängen und Tierstimmen jetzt politische Losungen und revolutionäre Parolen.

Auch die Arbeiten „Museum“ und „Situation Dictionary“ des Polen Kamil Kuskowski sorgen bei dem Betrachter für Irritationen. „Museum“ ist eine Reihung von klein- und großformatigen, goldenen Bilderrahmen mit monochromer Leinwand. Aber wo ist das Bild? Des Rätsels Lösung liegt in dem Audioguide. Nach Drücken der Tastatur erfolgt eine exakte kunsthistorische Beschreibung von Gemälden – Landschaftsbilder, Bibelszenen oder Aktmalerei. Im Burggarten vor dem Schweriner Schloss steht, ausgerichtet auf die Marstallhalbinsel und den Kaninchenwerder, eine Holzgipswand mit eingelassenem Goldrahmen. Je nach Wetterlage verändert sich das Landschaftsbild. Weitere Bildansichten ergeben sich, wenn die Besucher um das Objekt herumgehen oder hinter dem Bilderrahmen posieren.

Die im Jahr 2009 entstandene Fotoserie „On the specific contribution of Iceland and Icelandic society to the history of imperfection“ des Isländers Unnar Örn Auðarson basiert auf historischen Aufnahmen von Sigurður Guttormsen (1906-1998) und Douwe Jan Bakker (1943-1997). Bereits in den 30er-Jahren fotografierte Guttormsen, Bankangestellter und Mitglied der Sozialistischen Partei Islands, über 200 ärmliche Hütten und Baracken des isländischen Proletariats. Eine politische Anklage gegen die weit verbreitete Meinung, dass es auf Island keine Klassenunterschiede gäbe. Auch der holländische Künstler Bakker nahm Torfhäuser, Höhlen, Ruinen und Reste ehemaliger Wohnhäuser auf, die er als unwiederbringliches Dokument des isländischen Kulturkreises ansah. Auðarson setzt die geschichtlichen Aufnahmen in einen modernen Kontext, indem er den alten Fotografien neue Titel gibt.

Weitere interessante, künstlerische Positionen bieten die Videoarbeit „Im Himmel erschaffen“ von Nomeda und Gediminas Urbonas, Litauen, die Installationen des Lettischen Künstlers Miks Mitrēvics sowie die Fotoarbeiten „Vinta“ von Sven Johne, Deutschland, „Das ewige Leben des Todes“ von Juhana Moisander aus Finnland und die Unterwasseraufnahmen „Stills“ des Schweden Magnus Petersson.

Begleitet wird die Ausstellung von einer interaktiven Kommunikationsplattform (www.connected-by-art.de), welche die Künstlergruppe „team_h2a“ für die Ausstellung konzipiert hat. An zwei Computern im Kreativlabor ist das Netzwerk via Internet jedem Besuchern zugänglich, um eine lebendige Kommunikation und Diskussion über das Ausstellungsprojekt zu ermöglichen. An dem Filmprojekt „Wer sind wir, wer sind die Anderen“ können sich Jugendliche aus verschiedenen Ostseeländern beteiligen. Die ausgewählten Kurzfilme werden dann auf YouTube gepostet und auf der Ausstellungshomepage verlinkt.

Die facettenreiche Ausstellung „Contected by Art - Zeitgenössische Kunst aus dem Ostseeraum“ vermittelt - ganz im Sinne des Titels - einen, über Ländergrenzen hinweg agierenden Kulturaustausch sowie ein kollektives Zusammenwachsen in den Bereichen Kunst und Kultur. Die Schau ist bis zum 16. September 2012 im Staatlichen Museum Schwerin zu besichtigen.

Die Schirmherrschaft über die Ausstellung hat Prof. Günter Verheugen, Vizepräsident der EU-Kommission und EU-Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik a.D. übernommen.


Staatliches Museum Schwerin, Alter Garten 3, 19055 Schwerin
Öffnungszeiten: Di bis So 10 – 18 Uhr, Do 12 – 20 Uhr
www.museum-schwerin.de

Fotonachweis:
Header: Detail aus: Udo Rathke (DE), Discreet Picture II, 2007, C-Print auf Aludibond hinter Acryl © Udo Rathke

Galerie:
01. Kamil Kuskowski (PL), Situation Dictionary, 2012 Installation im Burggarten des Schweriner Schlosses © Kamil Kuskowski
02. Knut Åsdam (NO), Oblique, 2008, Film und Rauminstallation © VG Bild-Kunst, Bonn 2012
03. Unnar Örn Auðarson, Island, Except from the work - On the specific contribution of Iceland and Icelandic society to the history of imperfection. Foto: Sigurður Guttormsson
04. Udo Rathe (DE), Flut, Foto: G. Bröcker, Staatliches Museum Schwerin
05. Marge Monko, (Est), Nora's Sisters, 2009, Film (Standbild) © Courtesy of the photos: Estonian Film Archive
06. Sven Johne (DE), Vinta, 2003 (Detailansicht) © VG Bild-Kunst, Bonn 2012
07. Anastasia Ryabova (RU), Из детского сада на баррикады! (Aus dem Kindergarten auf die Barrikaden!), 2012, Installation © Ryabova
08. Kamil Kuskowski (PL), Museum, Foto: G. Bröcker, Staatliches Museum Schwerin
09. Lilibeth Cuenca Rasmussen (DK), Absolute Exotic, 2005, Performance-Video (Standbild) © VG Bild-Kunst, Bonn 2012
10. Juhana Moisander, (SF), Little devil and a mushroom, 2008, Videoprojektion, (Standbild) © Juhana Moisander