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Bildende Kunst


Betritt der Besucher die farbig getönten und mit Damast bespannten Ausstellungsräume, umringen ihn die Konterfeis von Kaisern, Königen und Königinnen, von Mitgliedern des Adels und der Geistlichkeit, von reichen Bankiers und Kaufleuten bis hin zu den Humanisten und Reformatoren. Daneben finden sich Portraits aus den Randgruppen der Gesellschaft: Dirnen, Verbrecher, Handwerker und Bauern. Inzwischen längst zu Staub zerfallen, halten die Bilder die Erinnerung an die Verstorbenen wach. Angesichts ihrer realistischen Bildsprache und ihrer expressiven Farbigkeit üben die bald ein halbes Jahrtausend alten Gemälde eine atemberaubende Faszination aus.

 

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Das ausgehende 15. Jahrhundert ist eine Zeit des Umbruchs in der europäischen Geschichte, die das Ende des Mittelalters und den Beginn der Renaissance ankündigt. Diese Zeitspanne bringt nicht nur Veränderungen in Religion, Wirtschaft, Wissenschaft oder Drucktechnik hervor, sondern auch neue Impulse in der Malerei, explizit in der Bildnismalerei. Es sind die altniederländischen Maler, wie der Meister von Flémalle, Jan van Eyck oder Rogier van der Weyden, die Mitte des 15. Jahrhunderts die Malerei, insbesondere die Porträtkunst revolutionieren. Diese als „ars nova“ bezeichnete Kunst basiert auf der veristischen Wiedergabe von Architektur, Landschaft, Interieurs, Kleidung sowie einer akribisch, fast fotorealistischen Detailtreue der menschlichen Physiognomie und Mimik. Ist die traditionelle Tafelmalerei dem Religiösen verpflichtet, rückt nun - dem Zeitgeist entsprechend - der Mensch als autonomes Individuum in den Fokus der profanen Bildmalerei. Adel, Klerus sowie die Reichen und Schönen der bürgerlichen Eliten nutzen das neue Medium zur „memoria“ sowie als Repräsentation. Im Dreiviertelprofil dargestellt, in brokatene Kleider und kostbare Pelze gehüllt, angetan mit kostbarem Geschmeide, demonstrieren sie ihre Macht und ihren Reichtum. Mal als Einzelporträt, mal als Familienbild dokumentieren ihre Konterfeis der Nachwelt eine längst vergangene Größe. Die Porträtmalerei macht die abwesenden Menschen gegenwärtig, so Leon Battista Alberti. „ … sie lässt die Verstorbenen nach vielen Jahrhunderten noch wie lebend erscheinen, sodass sie mit großer Bewunderung für den Künstler und mit Genuss wiedererkannt werden.“ (Alberti, Della pitura, 1435/36)
Zum Erfolg dieser neuen Porträtmalerei hat die „Erfindung“ der Ölmalerei beigetragen, die mit ihren in Öl gebundenen Pigmenten und den aufgetragenen Lasuren den Bildern eine expressive Leuchtkraft und Tiefe verleiht. Diese, von den niederländischen Künstlern virtuos beherrschte Maltechnik ist ein absolutes Novum in der damaligen Kunstwelt und soll nördlich und südlich der Alpen viele Nachahmer finden. Bereits ab den 1460er-Jahren übernehmen italienische Maler die Öltechnik sowie das Schema des Dreiviertelprofils. Um die Jahrhundertwende vollzieht sich nördlich der Alpen ebenfalls eine Rezeption dieser neuen Technik und Formensprache.

 


Zurück zur Ausstellung mit ihren Superstars: Dürer – Cranach – Holbein. Albrecht Dürer (1471-1528), der seinen Lebensmittelpunkt in Nürnberg hat, ist vielleicht der größte deutsche Künstler seiner Zeit. Auf seinen Reisen nach Venedig oder in die Niederlande kommt Dürer in Kontakt mit den großen Malern der Renaissance, welche seinen Werken nachhaltige Impulse verleihen sollen. Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, auf alle ausgestellten Exponate einzugehen. Einige der Dürer-Porträts sollen jedoch exemplarisch vorgestellt werden. Bereits mit 19 Jahren porträtiert Dürer seinen Vater, Albrecht Dürer d. Ä., im Stil der niederländischen Meister. Sieben Jahre später, 1497, entsteht ein weiteres Bildnis des Vaters, welches von der Fachwelt als das erste Renaissanceporträt der deutschen Kunst gefeiert wird. Das Brustbild zeigt den Siebzigjährigen im Festtagsmantel, die Hände fast in den weiten Ärmeln versteckt. Unter der Kappe schauen die ergrauten Haare hervor. Das nach rechts gewandte Gesicht und der Hals zeigen die faltige Haut eines alten Mannes. Der müde Blick ist skeptisch auf den Betrachter gerichtet. Was für ein Gegensatz dazu ist das Bildnis der Elsbeth Tucher. Datiert 1499, zeigt das Bild die junge Ehefrau von Nikolaus Tucher, einem reichen Patrizier aus Nürnberg. Die Frau steht vor einem Fenster, das teils von einem goldenen Brokatstoff verdeckt wird und teils den Blick auf eine Ideallandschaft freigibt. Das Gesicht mit dem makellosen Teint, hohen Wangenknochen und kräftigem Kinn schaut nach rechts gewandt. Den Blick am Betrachter vorbei, sinnend in die Ferne gerichtet, bewahrt sie eine kühle Distanz. Ihre Kleidung ist kostbar. Die Seidenhaube, das brokatene Kleid mit dem dunklen Überkleid, das von einer goldenen Brosche mit den Initialen NT zusammengehalten wird, deuten ihre hohe soziale Stellung an. Am unteren Bildrand erkennbar, hält sie einen Ring in ihren Fingern. Im Kontrast zu dieser jugendlich glatten Physiognomie steht ein weiteres Altersporträt von Dürer aus dem Jahr 1516 Der Nürnberger Maler Michael Wolgemut. Mit gnadenlosem Realismus gibt der Maler die Züge des 79 Jahre alten Greises wieder: das vom Alter gezeichnete, hohlwangige Gesicht mit den knochigen Wangen, hervorspringender Hakennase, eingefallener Oberlippe sowie einer deutlich hängenden Faltenpartie des Halses. Der trübe Blick der Augen geht am Betrachter vorbei. Neben seinen Selbstporträts und den Gemälden der Mächtigen sind es Dürers Zeichnungen, Kupferstiche und Holzschnitte, welche seine Genialität als Porträtist unter Beweis stellen. Es sind Arbeiten, welche die individuelle, menschliche Physiognomie mit all ihrem Facettenreichtum zum Ausdruck bringen.


Die Ausstellung präsentiert, wenn auch nur wenige, Porträts von Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553). Der aus Franken stammende Cranach macht am Wittenberger Hof der sächsischen Kurfürsten eine spektakuläre Karriere. Seit 1505 zum Hofmaler ernannt, verkehrt er in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen. Zu seinen Auftraggebern gehören Mitglieder des Hochadels und des Klerus sowie reiche Patrizierfamilien. Cranach ist nicht nur mit der katholischen Prominenz seiner Zeit befreundet, sondern auch mit den Reformatoren Philipp Melanchton und Martin Luther, die er mehrfach porträtiert und deren Konterfeis er als Druckgrafik erfolgreich vermarktet. Cranach entwickelt in der Porträtkunst einen ganz eigenen Stil. Ihm kommt es nicht auf die naturgetreue Wiedergabe der Physiognomie an, sondern auf eine Simplifizierung der Gesichtszüge und eine dekorative Bildsprache. Hinzu kommt, dass der Maler einen idealisierten Frauentypus, den der „Kindfrau“ kreiert. Zierlich, puppenhaft und elegant gekleidet wird er in immer neuen Variationen dargestellt. Während seine Frauenbildnisse Prinzessin Maria von Sachsen (?), 1534, oder Bildnis dreier Damen, um 1535, individuelle Gesichtszüge vermissen lassen, ist die kostbare höfische Kleidung bis ins kleinste Detail ausformuliert. Die idealisierten Gesichter der Frauen erinnern an seine Lukretia, Judith oder Salome. Im Stil und Dekor völlig anders aufgebaut sind Cranachs Männerporträts. Das Bildnis eines bartlosen Mannes von 1500 zeigt als Dreiviertelporträt einen Mann, der vor einer idealisierten Landschaft mit Bergen, einer mittelalterlichen Stadt und Wolkenformationen am blauen Himmel steht. Das markante Gesicht mit der Hakennase, dem kräftigen Kinn sowie der fein modellierten Augen- und Mundpartie wird gerahmt von schulterlangen, gelockten Haaren. Der ernste Blick ist nach rechts gewandt. Bekleidet mit einem schwarzen Mantel mit Pelzkragen, unter dem ein weißes Hemd hervorschaut, hält er einen Rosenkranz in der rechten Hand; den Daumen schmückt ein Siegelring.


Cranach ist nicht nur ein erfolgreicher Maler, sondern auch ein gewiefter Geschäftsmann. Ihm gehört in Wittenberg eine florierende Malerwerkstatt, die zu den produktivsten Ateliers der Zeit zählt. Seine zahlreichen Mitarbeiter produzieren serienmäßig in seinem Stil und in seiner Technik. Diese Werkstattprodukte werden dann als Bilder unter dem Namen des Meisters veräußert. Es gibt Vorlagen und Vorstudien, die mit leicht veränderten Kostümen, Attributen und Bildhintergrund immer wieder verwendet werden. Kunst und Kommerz? Für den Maler Cranach kein Widerspruch. Verbreiteten sie doch seinen Ruhm und machen ihn zu einem der wohlhabendsten Bürger Wittenbergs. Nach seinem Tode führt Lukas Cranach d. J. - als Maler nicht weniger begabt - die Werkstatt, das heißt das Unternehmen Cranach erfolgreich weiter.
Ob der Porträtist Lukas Cranach d. Ä. auf Augenhöhe mit Albrecht Dürer oder Hans Holbein d. J. zu sehen ist, bleibt diskutierbar.


Hans Holbein d. J. (1497/98-1543) wird von der Fachwelt als „der deutsche Raffael“ gefeiert. Zu Recht, wie seine Bilder beweisen. Er malt alle Großen seiner Zeit: Erasmus von Rotterdam, Thomas More, den Erzbischof von Canterbury, Christina von Dänemark, Heinrich VIII. von England; die Liste der von ihm Porträtierten ist lang. Holbeins Porträts sind opulent inszenierte Bildkompositionen. Die fein modellierten Gesichtszüge, die anatomisch korrekte Wiedergabe des Körpers, der Hände, der Haare und die Faltenwürfe der kostbaren Gewänder mit oder ohne Pelzbesatz sowie Barette und Hauben sind in akribischer Detailtreue festgehalten. Ergänzt werden die Illustrationen durch charakteristische Attribute, die auf die gesellschaftliche Position des Dargestellten hinweisen. Hinzu kommt die leuchtende Prägnanz der Farben, sowie das Spiel mit Hell-Dunkel-Effekten, welche Holbeins Bilder so lebensnah machen.


Seine größten Erfolge feiert der Maler ab 1532 in England. In London avanciert er zum Modeporträtisten der elitären englischen Gesellschaft: Er malt die auf dem Londoner Stalhof arbeitenden deutschen Hansekaufleute, die Damen und Herren des höfischen Adels sowie die Prominenz aus Politik und Geistlichkeit. Daneben porträtiert er - 1536 zum Hofmaler Heinrich VIII. ernannt - mehrfach den König und dessen engste Familienmitglieder.


Aus Holbeins umfangreichem Œuvre präsentiert die Ausstellung zahlreiche Tafelbilder und Zeichnungen. Beeindruckend sind die Porträts von Charles des Solier, Sieur de Morette, 1534/35 sowie Jane Seymour, 1536/37. Morette ist Gesandter und Diplomat des französischen Königs Franz I. am englischen Hof. 54jährig sitzt er dem Maler vor einem grün changierenden Brokatvorhang Modell. Frontal ausgerichtet, dominiert Morettes massige Körperlichkeit das Bild. Das schwarze Barett bedeckt ein kluges, markantes Gesicht mit ergrautem Bart. Sein fester Blick fixiert den Betrachter. Die kostbare Kleidung, der braune Pelz sowie der Goldschmuck, der fein ziselierte Dolch und die hellen Lederhandschuhe signalisieren seinen hohen Rang.
Das um 1536/37 datierte Bildnis der Königin Jane Seymour dürfte nach der Hochzeit im Mai 1536 oder posthum entstanden sein. Nach der Enthauptung Anne Boleyns wird sie die dritte Frau Heinrich VIII.. Das Glück währt noch nicht einmal zwei Jahre, da stirbt die junge Königin nach der Geburt des lang ersehnten Thronfolgers im Oktober 1537 an Kindbettfieber. Das Porträt zeigt sie in prachtvollster Kleidung: ein rotes Gewand mit grau-silbernem Brokateinsatz und -ärmeln, ein rot-goldener Schal sowie eine Haube aus mehreren Stofflagen. Kostbarer Schmuck aus Perlen und Edelsteinen zieren Hals, Dekolleté und die ineinander gefalteten Hände.


Bei all diesen prächtigen Gemälden stellt sich natürlich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Bildnisse. Entsprechen die Porträtierten dem realen Aussehen oder sind sie vom Maler liebevoll geschönt? Letzteres dürfte der Fall sein. Überliefert ist die Geschichte von Heinrich VIII., der nach dem Tode Jane Seymours eine neue Frau suchte. Schön sollte sie sein! Die Wahl fiel auf Anna von Kleve, von Holbein als bildhübsche junge Frau porträtiert. Wie entsetzt war der König, als er „in natura“ ihr pockennarbiges Gesicht sah. Die Ehe hielt nur sechs Monate.


Der Wahrheit am nächsten kommen die Porträtzeichnungen mit Silber-, Kohle- oder Kreidestiften sowie die druckgrafischen Arbeiten, welche in der Ausstellung in reichem Umfang gezeigt werden.. Handelt es sich hier doch um keine repräsentativen Aufträge, sondern um Studien der menschlichen Physiognomie mit all ihren Makeln. Ob die Gesichter der ausgestellten Skulpturen, Medaillons oder Medaillen der Realität entsprechen, darf bezweifelt werden. Zu idealisiert erscheinen die Gesichtszüge.


„Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Portrait um 1500“

zu sehen in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, in 80333 München
Öffnungszeiten:
Während der Ausstellungen ist die Kunsthalle täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr geöffnet.
24. Dezember (Heiligabend) geschlossen, 31. Dezember (Sylvester) und Faschingsdienstag
(21. Februar 2012) nur bis 14.00 Uhr geöffnet

Weitere Informationen: www.hypo-kunsthalle.de

 


Fotonachweis Galerie:
01. Albrecht Dürer , Portrait der Elsbeth Tucher, 1499 , Lindenholz, 29,1 x 23,3 cm , Museumslandschaft Hessen Kassel,  Gemäldegalerie Alte Meister
02. Lucas Cranach d. Ä. (?), Bildnis eines bartlosen Mannes, um 1500 , Fichtenholz, 46 x 33 cm , Hessische Hausstiftung, Kronberg
03. Hans Holbein d. J. Charles de Solier, Sieur de Morette, um 1534/35, Eichenholz, 92,5 x 75,5 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister © ARTOTHEK
04. Hans Holbein d. J. Portrait von Jane Seymour, 1537, Öl/Holz, 65,4 x 40,7 cm , Kunsthistorisches Museum, Wien
05. Leonhard Beck, Bildnis eines jungen Mannes mit Mütze, um 1512/13, Schwarze und farbige Kreiden, mit rosa, gelber und grauer Wasserfarbe laviert, 24,7 x 16,8 cm , University College London, London © UCL Art Collections, University College London
06. Albrecht Dürer, Erasmus von Rotterdam, 1526, Kupferstich, 24,7 x 19,1 cm, Staatliche Graphische Sammlung, München
07. Anonym, Mainz , Der Kindsmörder Hans von Berstatt, 1540 , Holzschnitt, koloriert, 31,4 x 24,3 cm , Schlossmuseum Gotha  © Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha
08. Hans Döring, "Philipp Graf zu Solms mit seinen beiden Söhnen Reinhard und Otto", 1515, Holz, 45,5 x 57 cm, Karl Georg Graf zu Solms-Laubach, Schloss Laubach
09. Unbekannter Künstler, Reliquienbüste eines Bischofs, Anfang 15. Jahrhundert, Kupfer, vergoldet, getrieben, graviert, H. 45 cm, B. 38 cm, T. 22 cm, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Wien

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