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Bildende Kunst

Die NordArt gehört „zu den größten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa", so die Veranstalter. Von Chefkurator Wolfgang Gramm als Gesamtkunstwerk konzipiert, sollen die Kunstwerke nicht nur für sich allein sprechen, sondern im Zusammenspiel mit der imposanten Kulisse der Industriearchitektur und der Parklandschaft eine eigene Atmosphäre entwickeln. „Die NordArt ist lebendig. Die NordArt hat sich der Aufgabe verschrieben, das gegenseitige Verstehen durch die Sprache der Kunst zu fördern. Sie versteht sich als Refugium und Inspirationsquelle für Künstler aus aller Welt – das gilt für international Renommierte ebenso wie für Newcomer", so Wolfgang Gramm.

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Im Fokus der aktuellen Ausstellung steht Israel als Länder-Schwerpunkt – nach China, Russland, dem Baltikum und der Mongolei. Daneben sind Liu Yonggang aus China (NordArt-Preisträger 2015) und die russische Künstlergruppe AES+F (NordArt-Preisträger 2014) mit neuen Arbeiten vertreten, ebenso die Publikumspreisträger 2015 Jang Yongsun (Südkorea), Lv Shun (China) und Ochirbold Ayurzana (Mongolei). Diesjähriger Schwerpunkt-Künstler ist der Chinese Liu Ruowang. Gastgeber dieser Schau ist das Unternehmerehepaar Hans-Julius und Johanna Ahlmann.

Im Skulpturenpark begrüßen den Besucher drei Werke im XXL-Format: „Stehende Zeichen – Umarmung der Liebe" des chinesischen Künstlers Liu Yonggang. In den Farben Schwarz-Rot-Gold transportiert der Künstler kalligraphische Zeichen in die Dreidimensionalität der Skulptur. „Auf diese Weise wird die Kraft der geschriebenen Sprache, oder vielmehr die Kraft ihres Bildes, gesteigert", erklärt Yonggang. Mit 6,50 Meter Höhe überragt „Erster Reiter" der russischen Künstlergruppe AES+F – Tatiana Arzamasova, Lev Evzovich, Evgeny Svyatsky und Vladimir Fridkes – alle anderen Skulpturen. Die Plastik ist ein Sinnbild für die „Jungfrau auf dem Ungeheuer" aus der Apokalypse des Johannes. Allerdings reitet hier die Jungfrau auf einem urzeitlichen Dinosaurier, dem Tyrannosaurus Rex. Die monumentale 36-teilige Affengruppe „Erbsünde" von Liu Ruowang überwältigt den Betrachter. Dicht an dicht stehen die 3,60 Meter hohen Menschenaffen, die friedlichen Gesichter in den Himmel gerichtet. Worauf warten sie? Der Transport der Affen vom Hamburger Hafen nach Büdelsdorf gestaltete sich als schwierig, erzählt Kurator Wolfgang Gramm. Die Lastwagen mit den Spezialcontainern passten nicht durch den Hamburger Elbtunnel und mussten über Landstraßen zur NordArt fahren.

„Wölfe kommen", ein weiteres gigantisches Skulpturen-Ensemble von Liu Ruowang dominiert Halle 1 der Carlshütte. Ein Rudel von 110 Wölfen umzingelt zähnefletschend einen behelmten Krieger mit Schnürstiefeln, der sich mit erhobenem Schwert gegen die Übermacht zu wehren versucht. Die NordArt ist für den chinesischen Künstler die erste Station einer dreijährigen Ausstellungs-Tour durch Europa und Amerika unter dem Titel „The Overseas Exhibition Tour of Liu Ruowang’s Works of Art".

Unter dem Motto „Circle of Life" präsentiert der israelische Pavillon achtundzwanzig zeitgenössische Künstler, welche sich mit globalen, sozialen und kulturellen Themen ihrer Heimat auseinandersetzen. Die Werke offenbaren „...eine charakteristische Suche nach Identität, die sich entlang der Achse von Zugehörigkeit und Entfremdung bewegt", betont die in Tel Aviv lebende Kuratorin Carmit Blumensohn im Katalog. Sie summieren sich „zu einem paradoxen, widersprüchlichen, reichen und komplexen Ganzen." Die Schiffsmodelle aus verrostetem Stahlschnitt von Nir Adoni sollen an den Exodus der Juden von Europa nach Israel erinnern, Avital Cnaanis Installationen aus zerfasertem Resopal und Polyurethan an zerstörte Landschaften und Vegetationen. Meirav Heimans Fotografien zeigen absurde Szenen, welche die familiären Beziehungen und die Konsumgewohnheiten ihrer Landsleute humorvoll auf die Schippe nehmen "Trampolin". Rakefet Viner Omers düstere Malereien setzen sich mit der weiblichen Identität, dem Schmerz, der Wut und Ohnmacht auseinander. Der Israelische Pavillon steht unter dem gemeinsamen Patronat des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und der Botschaft des Staates Israel in Berlin.

Ganz anders die Acrylbilder von Jaakov Blumas im benachbarten White-Cube. Der in Hamburg lebende Israeli arrangiert Ellipsen, Rechtecke und Dreiecke sowie Kreise und Kreissegmente zu geometrischen Kompositionen, deren Linienführung – je nach Standort des Betrachters – Bewegung suggerieren und zu ganz unterschiedlichen Assoziationen anregen.

In Halle 3 der Carlshütte stellen siebzehn mongolische Künstler, Maler, Bildhauer und Fotografen, unter dem Titel „Tradition und Moderne" ihre Arbeiten vor. Fernöstliche Kulturtraditionen verbinden sich hier mit westlicher Moderne zu einem neuen, ganz eigenen Stil. „Kunst und Kultur sind Teil der Identität eines jeden Landes. Sie begründen den Stolz und das Vertrauen in die eigene Nation. Auf diesem Gedanken basiert unser Engagement, die Mongolei der Weltöffentlichkeit näherzubringen – um Austausch und Beziehungen auf internationaler Ebene zu ermöglichen", so Gantumur Luvsannyam, Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Mongolei.

Der Schwerpunkt der riesigen Ausstellungshalle, unterteilt durch White-Cubes, liegt auf der Malerei, der Fotografie und kleineren, teilweise futuristischen Skulpturen. Auffallend ist die künstlerische Vielfalt im Bereich Malerei, sowohl thematisch als auch stilistisch: Von gegenständlich, abstrakt, surreal mit teilweise apokalyptischen Visionen, experimentell bis zu fotorealistisch und hyperrealistisch sind alle Positionen vertreten. Sehenswert sind die farbintensiven, fotorealistischen Landschaften von Elina Försti aus Finnland, hyperrealistische Gemälde von Óscar Villalón, Chile, und Maarit Murka aus Estland, surreal anmutende Bilder des Chilenen Alejandro David DeCinti, von Lydia Balke, Deutschland, Martina D'Anastasio, Italien, und Yader Iván Perez Gasca, Kolumbien, sowie Abstraktionen von Song Young-Hoo und Jung Kwanyoung, beide Südkorea, und Robert Patrick, USA.
Nicht weniger interessant sind die Fotoarbeiten, sei es in Schwarz-Weiß oder Farbe. Das Spektrum reicht von Landschafts- und Dokumentarfotografie, inszenierter Portraitfotografie und Storytelling bis zu computergenerierter Fotokunst. Thomas Friedrich Schäfers Fotoserie „Erfahrungsräume" entlarvt die vermeintliche Familienidylle hinter einer gutbürgerlichen Fassade. Die im Studio inszenierten Aufnahmen sind perfekt durchdachte Szenarien, atmosphärisch düster, unheimlich und geheimnisvoll, aber auch voll versteckter Symbolik.
Die Schau in Halle 3 zeigt eine Vielzahl internationaler Künstler aus den Bereichen Malerei und Fotografie, deren zusammengewürfelte Präsentation allerdings den Besucher durch das Fehlen eines stringenten Ausstellungskonzepts überfordert.

Vis-à-Vis der XXL-Skulpturen liegt die Wagenremise, die mit kleineren Formaten von europäischen Künstlern bespielt wird. Auch hier ein Mix aus Skulpturen und Malereien. Neben der Holzplastik von Davide Balossi, Italien, und der kinetischen Holzfigur der Finnen Pekka & Telja Isorättyä, beeindrucken die im Stil des Fotorealismus gemalten Ölgemälde von Anton Franz Höger aus Deutschland. Seine mit Bandagen umwickelten Frauen erinnern an die österreichischen Künstler Rudolf Schwarzkogler und Gottfried Helnwein. Eine Reminiszenz Högers an seine Wiener Studienjahre? Die achtteilige Portraitserie von Predrag Lojanica aus Serbien zeigt dagegen Menschen, mit denen der Künstler in einem serbisch-orthodoxen Kloster in der Nähe von Belgrad gelebt hat.

Zugegeben, die NordArt 2016, beworben als „Hotspot internationaler Kunst im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf", ist eine kommerzielle Kunstausstellung für ein kunstinteressiertes Publikum, weniger eine Messe für ein Fachpublikum, Galeristen oder Museumsleute. Das mag mit dem enormen Erfolgsdruck zusammen hängen – nach 70.000 Besuchern 2015 wird dieses Jahr die Achtzig-Tausend-Marke angepeilt. Dank der Kulturinitiative der ACO Gruppe Ahlmann und der Städte Büdelsdorf und Rendsburg, Fördergelder der Landesregierung Schleswig-Holstein und der Kooperationspartner befreundeter Länder sowie zahlreicher Sponsoren konnte sich die NordArt in den vergangenen achtzehn Jahren zu einem Publikumsmagnet etablieren.
Ein Ausflug zur NordArt in Büdelsdorf ist trotz aller notwendiger Kritik zu empfehlen. Der Besucher sollte allerdings viel Zeit mitbringen und bequeme Schuhe anziehen. Wer nach dem Rundgang durch die Ausstellungshallen und den Skulpturenpark erschöpft ist, findet Entspannung auf einer Bank unter den Bäumen, am Teich und im Ausstellungscafé „Alte Meierei".

Nord Art/Kunstwerk Carlshütte
Vorwerksallee, 24782 Büdelsdorf
Ausstellungsdauer bis 6. Oktober 2016
Öffnungszeiten Di. bis So. von 11 bis 19 Uhr
Ein Katalog ist erschienen.
www.nordart.de


Abbildungsnachweis:
Header: Blick in die Ausstellung. JWF
Galerie:
01. Plakat der Ausstellung mit Künstlerportraits
02. - 08. Blicke in die Ausstellungenräume und den Skulpturenpark. Alle Fotos: NordArt,
09. - 10. Werke von Jaakov Blumas. Copyright beim Künstler.

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