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Bildende Kunst

Während des spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur stagnieren auf der iberischen Halbinsel Kunst und Kultur. Die damalige künstlerische Avantgarde – Pablo Picasso, Joan Miró und Salvador Dalí – emigriert nach Paris. Erst mit dem Tod von Diktator Francisco Franco 1975 findet eine überaus kreative Kunstszene Anschluss an die zeitgenössische Moderne. Zu den aktuellen Strömungen der spanischen Kunstlandschaft gehört der Neoexpressionismus, gehört der Maler und Bildhauer Jorge Rando.

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Rando verlässt nach dem Philosophiestudium 1961 seine Heimatstadt Malaga und geht, kaum zwanzigjährig, nach Köln, wo er über zwei Jahrzehnte wohnen und arbeiten wird. Neben der Philosophie beschäftigt er sich mit der Malerei, insbesondere mit dem deutschen Expressionismus. Eine Stilrichtung, dessen expressive Farbgebung und spontane Pinselführung ihn fasziniert und emotional bewegt. Wassily Kandinsky, Franz Marc oder August Macke von der Künstlergemeinschaft „Blaue Reiter" sowie die „Brücke“-Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein oder Emil Nolde beeinflussen seinen eigenen Stil, eine spanische Rezeption des Expressionismus. Seine Werke reflektieren nicht nur sozialkritische und religiöse Themen, die Liebe zur Natur sondern auch seine tiefe Verbundenheit mit dem katholischen Glauben. Seit 1984 lebt er mit seiner deutschen Frau Margit wieder in Malaga, wo er sich ausschließlich seiner Kunst widmet.

Die Ausstellung im holsteinischen Wedel präsentiert rund 120 Exponate des Spaniers, großformatige Ölgemälde und kleinere, nur Bildausschnitte zeigende Aquarelle. Im Erdgeschoss des Hauses stehen Blumen-Stillleben und abstrakte Landschaftsbilder im Mittelpunkt. „Die Abstraktion steht für das Geistige, die Vertikalität für die Ausrichtung an einem Schöpfer", erklärt Kuratorin Heike Stockhaus die Landschaften. Gleichwohl, der Betrachter ist irritiert, versucht die vertikalen, farbintensiven Pinselstriche zu identifizieren. Sind es Bäume? Wälder? Das sich spiegelnde Sonnenlicht in einem Teich? Ein Wasserfall in Regenbogenfarben? Die Werke tragen keine Namen. „Ich male meine Bilder, gebe sie frei und jeder kann dann mit ihnen in den Dialog treten“, so der Künstler.

Im Obergeschoss empfangen den Besucher Szenen aus der Passionsgeschichte. In explodierenden Farben komponiert der Spanier den Leidensweg Christi: Das Kreuz variiert von intensivem Fuchsia bis hin zu dunklem Magenta-Rot. Farbflächen von caput mortuum – ein violettes Rot -, Grün, Blau, Rot und Gelb bilden Kontraste. Mit kräftigem Pinselduktus sind Formen und Figuren abstrahiert. Acht großformatige Ölgemälde und kleinere Aquarelle involvieren den Betrachter magisch in das Geschehen: Christus am Ölberg, die Opferung des Lammes, der gefangene Christus mit verbundenen Augen und Dornenkrone, Häscher mit spöttischer Miene, die an primitive Masken erinnern, die Kreuztragung und Kreuzabnahme.

Eine Leidensgeschichte in leuchtenden Kontrastfarben? Kein Problem für den spanischen Künstler, denn seine Leidensgeschichte will aus der Finsternis heraus treten und in das Licht der Hoffnung, der Glückseligkeit, der Liebe und der Wiederauferstehung eindringen. Hinzu kommt, das sein künstlerisches Vorbild Emil Nolde bereits in den 1920er-Jahren biblische Themen in expressiver Farbgestaltung gemalt hat.
Die Passionsgeschichte leitet über zu dem in den 80er-Jahren entstandenen Afrika-Zyklus im Nebenraum, welcher Leid und Elend, Gewalt, Krieg und Flucht der Menschen thematisiert. Angesichts neuer Flüchtlingswellen sind seine frühen Bilder beklemmend aktuell. "Anfangs war meine Malerei ein Aufschrei. Nun ist sie ein Gebet", sagt Rando über seine Arbeiten.

Beklemmend sind ebenfalls Randos Malereien aus dem Zyklus Prostitution, zu sehen im Untergeschoss des Museums. Seit Mitte der 90er-Jahre befasst er sich mit diesem Thema, das ihn bis heute begleitet. Es sind Darstellungen einer versteckten Realität, die sich in düsteren Zimmern, Gassen und Straßen abspielt. Dunkelhaarige und blonde, hübsche und hässliche Frauen. Nackte und bekleidete Frauen mit kurzen Röcken und hohen Absätzen, roter Tasche, grell geschminkt mit karminroten Lippen, die für Sex ihren Körper und ihre Seele an Freier verkaufen. Kinder und Jugendliche, die sich aus Leid und Armut prostituieren. Jorge Rando bedient sich der Leinwand und expressiver Farben, um sich mit den gesellschaftlichen Tabus der Kinderprostitution und weiblicher Prostitution auseinanderzusetzen. "Das Leben beginnt weder mit der Sklaverei der Prostitution noch endet es mit ihr", sagt er. "Lasst uns etwas tun! Seien wir nicht feige!"

Die sehenswerte Ausstellung „Jorge Rando – Passion. Neuer Expressionismus aus Spanien" des spanischen Künstlers ist bis zum 19. Juni 2016 im Ernst Barlach Museum Wedel, Mühlenstraße 1, 22880 Wedel, zu besichtigen.
Öffnungszeiten: di. bis so. 11-18 Uhr
www.ernst-barlach.de/wedel

Das Ernst Barlach Museum Ratzeburg zeigt vom 10. April bis zum 10. Juli 2016 die Ausstellung „Ernst Barlach - Jorge Rando. Begegnung".
Ernst Barlach Museum Ratzeburg, Barlachplatz 3, 23909 Ratzeburg
Öffnungszeiten: Di. bis So. 11-17 Uhr
www.ernst-barlach.de/ratzeburg

Die Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg setzt mit der Ausstellung „Jorge Rando – Passion. Neuer Expressionismus aus Spanien" den Dialog mit europäischen und internationalen Künstlern fort. Die Gesellschaft vergibt den Ernst Barlach Preis 2016 an den spanischen Künstler Jorge Rando.

Seine Heimatstadt Malaga ehrte den Künstler mit einem Museum: das Museo Jorge Rando. Ziel des 2014 eröffneten Hauses ist die Annäherung und Vertiefung der expressionistischen Kunst sowie die Förderung aktueller neoexpressionistischer Strömungen. In Kooperation mit der Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg zeigt das Museum bis zum 26. März 2016 Skulpturen und Grafiken des deutschen Expressionisten Ernst Barlach im Dialog mit der Malerei des spanischen Neoexpressionisten Jorge Rando.


Abbildungsnachweis:
Header: Blick in die Ausstellung zum Thema Passionsbilder. Foto: Christel Busch
Galerie:
01. O.T. 2005, Öl auf Leinwand, 122x122cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
02. O.T. 2002, Öl auf Leinwand, 110x97cm. Foto: Museum Jorge Rando Malaga
03. O.T., 1998, Öl auf Leinwand, 185x185cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
04. O.T. 2013, Aquarell, 38x35cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
05. Blick in die Ausstellung zum Thema Afrika. Foto: Christel Busch
06. O.T. 2006, Öl auf Leinwand, 146x114cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
07. O.T. 2006, Öl auf Leinwand 100x81cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
08. O.T. 2005-2006, Öl auf Leinwand 71x62cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
09. Blick in die Ausstellung zum Thema Horizonte. Foto: Christel Busch
10. O.T. 2015, Öl auf Leinwand, 230x320cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
11. Blick in die Ausstellung zum Thema Horizonte. Foto: Christel Busch
12. O.T. 2015, Aquarell, 35x40cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
13. O.T. 2012, Aquarell, 38x35cm. Foto: Museum Jorge Rando, Malaga
14. Jorge Rando mit Kuratorin Heike Stockhaus. Foto: Christel Busch.

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