Architektur

Zur Geschichte Bad Gasteins und des Grand Hotel de l´Europe.
Zur Kaiserzeit war Bad Gastein als Kurort von größter Bedeutung. Die Kuraufenthalte vom österreichischen Kaiser Franz Josef und vor allem auch die vielen Besuche des deutschen Kaisers Wilhelm des Ersten trugen wesentlich zur Popularität des Ortes als Treffpunkt für Adel und Großbürgertum bei. Mit der Erschließung durch die Bahnlinie im Jahr 1905 konnte man bequem direkt von Wien nach Gastein reisen und mit dieser Zugverbindung stieg die Gästeanzahl kontinuierlich an. Parallel mit diesem Gästezustrom mussten die Herbergsbetriebe Schritt halten und so erlebte Bad Gastein um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen gewaltigen Bauboom. Aus dem beschaulichen Alpendorf mit bäuerlichem Charakter entwickelte sich ein imperiales Kurzentrum mitten im Gebirge.

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In dieser Zeit wurde auch das Grand Hotel de l´ Europe von Viktor Sedlacek (Restaurantbesitzer aus Linz) nach Plänen des Linzer Dombaumeisters Matthäus Schlager errichtet. Nach zweijähriger Bautätigkeit wurde das im Neorenaissancestil gebaute zehnstöckige Hotel 1909 eröffnet und zählte mit seiner mondänen Ausstattung – 370qm großen Speisesaal, Frühstücks- und Restaurationsräumen, Damen- und Herrensalon, Rauchsalon, Aufzügen, Zimmerausstattung mit elektrischen Licht, Telefon, Warm- und Kaltwasser – zu den modernsten Hotels in der Österreich-Ungarischen Monarchie. Neben dem Hochadel war auch die höchste Beamtenschaft der gesamten K.u.K.-Monarchie sowie Industrielle und Künstler zu Gast im Haus. Wie die Kurlisten zeigen, zog das Hotel de l´ Europe insbesondere auch internationales Publikum an – es residierten hier unter anderem der König Ferdinand von Bulgarien, die Erzherzogin Alice von Toskana und der Maharadscha von Baroda.

In den 1960er-Jahren verkehrten die wohl berühmtesten Gäste Bad Gasteins wieder im Hotel de l´ Europe: der Schah von Persien 1965, im darauffolgenden Jahr die Prinzessin Hussa Bent Saud aus Saudi Arabien. Trotz dieser prominenten Gäste musste das Hotel 1968 wegen seiner veralteten Ausstattung, seiner enormen Größe und der zunehmenden Konkurrenz moderner Hotelbauten schließen. Das Haus blieb bis in die 1980er-Jahre leer. Nach aufwendiger Sanierung, circa 150 Millionen Schilling, wurde es 1982 unter der Führung von Stefan Tomek (Wiener Manager und Wahlmonegasse) neu eröffnet. Es erlebte noch einige Jahre Glanz und Glorie und mit ihm der gesamte Ort. Für die Silvestergala 1982/83 wurde Liza Minelli engagiert, in den Folgejahren traten Shirley Bassey und Charles Aznavour auf. Tomek holte noch einmal den internationalen Jetset nach Gastein und versuchte die Einmaligkeit des Ortes – imperiale Hotelbauten auf Gebirgsfelsen zwischen tobenden Wasserfall – als Monte Carlo der Alpen zu vermarkten.

Doch Ende der 1980er-Jahre führte neben der Waldheim Affäre der Massentourismus und der standardisierte Kurtourismus der staatlichen Versicherungsanstalten zu einer weiteren Krise der gehobenen Hotelbranche in Gastein und der Traum Tomeks – Bad Gastein als VIP Ort in den Bergen zu etablieren – ließ sich langfristig nicht verwirklichen. Das Hotel de l´Europe wurde wiederum geschlossen. Heute befindet sich das Haus im Besitz verschiedener Eigentümer. An der Historie dieses Grandhotels lässt sich auch der geschichtliche Verlauf von Bad Gastein ablesen und es stellt sich die Frage, ob in den Zeiten des Massentourismus diese Belle Époque Bauten wieder zum Leben erweckt werden können und somit der Ort mit seinem großstädtischer Prunk wieder eine Blüte erfährt.

Das knallharte Geschäft des heutigen Tourismus und die globalen Veränderungen.
Um die enormen Bettenkapazitäten in den österreichischen Schitourismusorten heute zu füllen, muss man mit massentouristischen Strukturen arbeiten. Dies bedeutet den Verlust von Qualität und die heillose Überlastung der ehemals kleinstrukturierten Bergdörfer –Authentizität und Individualität gehen verloren. Mit stereotypischen Klischees wird geworben und diese werden auch standardmäßig von der Stange geboten und erfüllt. Im „Hansi Hinterseer Alpenland“ (Hansi Hinterseer ist Ex-Skirennläufer und volkstümlicher Schlagerstar) wird gesungen, geschunkelt und getanzt und die flächendeckende Alpinparty findet vor einer dauerblühenden Alm oder vor pulverschneeverschneiten Berggipfeln statt. Die Idylle des intakten Bergdorfes mit den immer gut gelaunten, kernigen und jodelnden Einwohnern ist zum reinen Bühnenbild für die zahlenden Touristen degradiert.

Wie sieht aber das soziale Leben außerhalb dieser Kulisse wirklich aus? Die Jugend wandert ab, viele Immobilien – man sieht es am Beispiel Bad Gastein – sind an europäische und internationale Investoren verkauft worden und die Dienstleistungen werden fast zur Gänze von Saisonarbeiten mit Niedriglöhnen aus dem osteuropäischen Raum erledigt. Nachhaltige Konzepte im Sinne eines sanften Tourismus werden nur vereinzelt realisiert. Zeitgemäße Hotelkonzepte, wo moderne Architektur und Design mit engagierter Betreuung der Gäste verwoben ist und damit langfristig Erfolg verspricht – wie es etwa in Bad Gastein das Hotel Miramonte oder das Hotel Regina anbieten, sind zur Zeit die rare Ausnahme. Ein auf die Region abgestimmter und integraler Tourismus ist noch lange nicht in der Realität der Tourismuswelt angekommen.

Global gesehen verändert heute das weltweite Tourismusgeschäft komplette Infrastrukturen ganzer Länder in drastischer Weise und zerstört gewachsene traditionelle Strukturen. Tourismus ist heute eine temporäre Völkerwanderungen, die jährlich stattfindet und die nicht zu unterschätzende gravierenden Auswirkungen mit sich zieht. Davor sind auch die österreichischen Alpenregionen nicht verschont geblieben.

Zaghafte Versuche neuer kultureller Impulse in Bad Gastein – Art on Snow Festival.
Gastein versucht durch neue Impulse wieder zu einer neuen Identität zu gelangen, parallel zum massentouristischen Betrieb – ein wirklich schwieriges Unterfangen! Im Sommer findet alljährlich die sommerfrische kunst statt, im Winter wird „Snow Jazz Gastein“ und das „Art on Snow Festival“ veranstaltet. An ein junges Publikum gerichtet, versucht dieses Festival mit Schnee- und Eisskulpturen, Ausstellungen, Performances und Videokunst Wintersport und Kunst zu verbinden. Mit diesem Programm gelingt es nur teilweise die Aufmerksamkeit der Gäste zu bekommen und zwar vor allem dort, wo sich die Kunstinterventionen direkt mit dem Wintersport in Verbindung bringen lassen. An markanten Punkten – Bergstation und Talstation von Seilbahnen – sind Schneeskulpturen installiert worden. Teilweise realistisch, teilweise abstrakt im Licht glitzernd werden sie von fast allen Schifahrern wahrgenommen. Motive wie Bergkristalle, Edelweiß, Gesichter, geometrische Formen sind zu sehen.

Als wesentlicher Teil des Festivals war eine Ausstellung im historischen Ballsaal des Hotel de l´Europe installiert, bestückt mit Werken von jungen Künstlern aus verschiedenen europäischen Ländern (Belgien, Großbritannien, Argentinien, Deutschland und Österreich). Die mitunter kritischen Werke führen ein hybrides Bild von unserer Gegenwart zwischen Entertainment und Krise vor. Übermalte Fotos von Demonstrationsszenen, die an Occupy Wall Street erinnern, zeigt Christian Kreisel neben seinen idyllisch anmuteten heimatlichen Motiven. In dem großen Fototableau von der Künstlerin Olga Holzschuh begegnet man einer mythischen Figur, die direkt aus einem Naturritus entstiegen scheint – der Winter in den Bergen als archaisches Moment. Dem Comix und der street art entnommen sind die Großformate von Friedemann Zschiedrich. Ein historisches Gemälde der Jugendstilräume des Hotels wurden überdeckt von der snow queen (dem key visual des Festivals) und anderen ins kitschig gleitende Illustrationen. Insgesamt ist es eine vielschichtige Schau in unterschiedlicher Qualität. Abgerundet wurde das Snow on Art Festival mit live-paintings, einem Malworkshop und einer abschließenden Party mit DJ Sound.

Resümierend ist das heute zum zweiten Mal stattgefundene Art on Snow Festival eine gewagte Mischung zwischen Schisport und Kunst. Es ist zu hoffen, dass es zukünftig noch stärker bei den Wintersportgästen ankommt, dass das Festival die geschichtliche, architektonische und topografische Einmaligkeit von Bad Gastein als Auseinandersetzungspotential nützt und dass es somit Bestandteil einer neuen kulturellen Identität des Gasteiner Tal wird.

Weitere Informationen:
www.gastein.com
www.styleandsport.com
www.gastein.com/de/snow-jazz-gastein
www.sommerfrischekunst.de/badgastein
www.hotelmiramonte.com

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Fotonachweis: Thomas Redl & style and sport
Galerie:
01. Hotel de L' Europe im Winter
02. Historisches Plakat des Hotel de l'Europe
03. Friedemann Zschiedrich, Ausstellung im Hotel de l'Europe (art on snow)
04. Videokunst (art on snow)
05. Art on Snow
06. Eisskulptur (art on snow)
07. Art on Snow
08. Olga Holzschuh, Ausstellung im Hotel de l'Europe (art on snow)
09. Christian Kneisel, Ausstellung im Hotel de l'Europe (art on snow)