Theater - Tanz

 

 

Regisseur Christian Nicke wagte sich nun an die deutsche Theaterversion. Der Konflikt zwischen Mutter Aurora (Daniela Ziegler) und Tochter Emma (Joanna Kitzl) ist ein pointiertes Meisterwerk an Sprache und Wortwitz. Man merkt das amerikanische Vorbild und fühlt sich in vielen Szenen an Ausdrucksweisen in Hollywoodfilmen erinnert. Intelligente Dialoge, die bei den Zuschauern von Kopfschütteln über herzliches Lachen bis zu stillem Entsetzen provozieren. Christian Nicke schafft es, genügend Abstand zum Film einzuhalten. Das ist einerseits positiv, hat aber auch einen negativen Aspekt. Vergessen kann man den Film nämlich nicht, besetzt er doch das Terrain allein durch seine Meisterlichkeit, inszenatorisch wie schauspielerisch. Wer den Film sah, denkt ihn mit, und das ist durchaus legitim. Die Inszenierung der Kammerspiele konnte dennoch ganz andere Bilder hervorrufen, als der Film das tut und facht so auch die eigene Phantasie an. Gerade die Begleitung des verstorbenen Ehemanns und Vaters Rudyard (David Allers) durch das Stück, der Hippie geblieben zu sein scheint, und musizierend, singend und pfeifend sich von Zeit zu Zeit in Erinnerung bringt, ist dafür ein gutes Beispiel.

Der Film mit Shirley McLaine, Debra Winger und Jack Nicholsen ist deswegen ein Meisterwerk, weil die Schauspieler und filmische Inszenierung es schaffen, ein Gleichgewicht zu halten zwischen Lust, Freude und Witz und den traurigen, melodramatischen Momenten. Beides steht gleichberechtigt und gefühlsbedeutsam nebeneinander. Diese für das Stück so wichtige inhaltliche Komponente, vermochte auf der Bühne nicht evident zu werden. 
 


 

Daniela Ziegler war zwar immer dann überzeugend, wenn die exzentrische, eigenwillige und überdrehte Aurora diese Facette ihres Daseins auslebt, aber entspricht nicht den notwendigen Erwartungen in den tragischen Momenten. Immer eine Spur zu viel, zu eigen, zu skrupellos und zu egozentrisch, da waren ihre Stärken spür- und sichtbar. Und damit hat sie die verblüffte Heiterkeit des Publikums oft auf ihrer Seite. Joanna Kitzl spielt die Tochter sehr einfühlsam, immer ein wenig betont unterlegen, nicht der Spritzigkeit der Mutter gewachsen. Und die Dominanz der Mutter wurde von den Schauspielerinnen durch den Trotz der Tochter in eine Parallele gebracht. Gar nicht parallel ist das Verhältnis von Mutter zum Nachbarn, ein ehemaliger Astronaut (Hans-Jörg Frey), der genau weiß wie man Frauen verführen kann und dessen unverblümte Direktheit Aurora zugleich anzieht und abstößt. So war der erste Teil bis zur Pause kurzweilig, unterhaltsam, aber nicht wirklich hintergründig oder tiefgreifend.

Dass die Geschichte dann zu einem Melodram mutiert präsentiert das, was das Stück ausmacht und es auch in eine tiefere, geistige Welt bringt. Von einem Moment zu anderen löst die schwere Krebskrankheit der Tochter doch etwas bei der Mutter aus, was für ihr Leben sinnstiftend sein könnte. Und hier vermochte Daniela Ziegler nicht, diesen so entscheidenden Augenblick tragfähig werden zu lassen. Die Todeserwartung der Tochter löste im Spiel der Mutter nicht den entscheidenden Moment der Umkehr aus. Anstatt dem schicken, modegestylten Trauerkostüm etwas entgegenzusetzen – mit der ausgewählten Garderobe blieb sich Aurora immer treu – und eine Handbreit Abstand zu sich selbst zu gewinnen, plätscherte ihr Spiel leider dahin und gab der Situation nicht den notwendigen Ausdruck.
 

"Zeit der Zärtlichkeit" noch bis zum 11. April in den Hamburger Kammerspielen in der Hartungstraße zu sehen, Karten: 0800-41 33 440.