Musik

Die Staatsoper macht klar, wie wichtig ihr dieses Thema Nachwuchs ist: Regie führt der Intendant Georges Delnon, und am Pult steht der Generalmusikdirektor Kent Nagano, der sich dieses Dirigat nicht nehmen lässt, obwohl er in diesen Tagen mit „Frau ohne Schatten“ und Dialogues des Carmelites“ im Großen Saal und mit den Proben für Mahlers Achte in der Elbphilharmonie schon gut ausgelastet wäre.
Hier, auf der Probebühne 1, geht es um den Nachwuchs. Um den bei Sängern und Instrumentalisten und um den im Publikum. Was für ein Ansporn für die jungen Musiker des Felix Mendelssohn Jugendsinfonieorchester und der Akademie des Philharmonischen Staatsorchesters, eine ganze Mozartoper unter Profibedingungen mit Kent Nagano zu spielen! Der mit mehreren Assistenten auch die jungen Sänger von The Young ClassX und die Solisten aus dem Opernensemble und dem Internationalen Opernstudio auf Kurs hält – im Dunkeln verstärkt durch einen Co-Dirigenten, der am anderen Ende des Raums einen Leuchtstab schwingt.

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Paminas Bildnis leuchtet auf dem Smartphone
Aus dem großen Drama um Gut und Böse, dem Ringen zwischen Mann und Frau, zwischen Sarastro und der Königin der Nacht wird hier in Delnons Regie das Jugenddrama um „Liebt er mich oder nicht?“, „Wohin geht eigentlich mein Weg?“, „Halte ich das auch alles durch?“. Die Geschichte ist nach Hamburg gewandert, spielt in Speicherstadt, Elbtunnel (im Graphic-Novel-Stil per Video von „fettFilm“ auf die leeren Wände gebeamt) oder auf dem Kiez – da, wo sich Sarastros zwielichtiges Etablissement befindet, bewacht von einem Türsteher mit rauer Hand und Schnauze und weichem Herz.
Paminas bezaubernd schönes Bildnis wird auf Taminos Smartphone geschickt, und Pamina darf auch mal stöhnen: „Mir geht’s echt schlecht jetzt.“ Die dritte Dame (Renate Spingler) entpuppt sich als Königin der Nacht, die Mord und Rache verlangt, ihre Kolleginnen (Lini Gong und Karina Repova) als deren Bond-Girls, und da die Königin Mezzosopran ist, teilt sie sich der Hölle Rache stressfrei mit der treffsicheren Pamina aus Korea (Narea Son), eine hübsche Idee, die gleichwohl nicht zur Tat führt. Monostatos ist kein Mohr, sondern ein weißer Grapscher, Papageno (großartig in Spiel und Gesang: Zak Kariithi) ist kein Vogelmensch, sondern dunkelhäutig und bekommt nach seiner Klage, dass ihn keine mag, gleich vier Papagenas präsentiert, von denen er sich schließlich eine über die Schulter wirft und abschleppt. Ein bisschen zu kämpfen hat Sascha Emanuel Kramer als Tamino, er muss seinen Tenor hier und da doch forcieren.

Das Orchester schlägt sich wacker und wird von Nagano punktgenau geführt, da ist konzentrierte Spannung im Klang bis zum letzten Ton. Genau wie beim Chor, der in zwei Blöcken im Publikum sitzt und von dort wunderbar engagiert singt (Einstudierung Peter Schuldt, Chor, und Clemens Malich, Orchester). Großer Applaus für alle am Ende.

Selbst die albernsten Kicher-Teenies sind irgendwann gefesselt
Die Oper ist mit feiner Hand gekürzt, ohne dass es im Gebälk der Handlung knirscht. Es geht um die erwachende Liebe zwischen Tamino und Pamina, eine nervige Mutter, um Mutproben für den Eintritt in Sarastros Gang und um den finalen Entschluss Paminas, sich denen an Taminos Seite zu stellen und ihren Geliebten zu schützen. Und es berührt schon, zu sehen, wie bei den Chorsängern manche fasziniert tonlos die Solistenpartien fast schon mitsingen und wie selbst die albernsten Kicher-Teenies im Publikum irgendwann von Handlung und Musik eingefangen werden und gebannt zuschauen.
Mozarts allmächtiger Zauber wäre nur durch Langeweile kaputt zu machen, aber hier hat man keine Sekunde das Gefühl, eine weichgespülte und abgespeckte Kurzfassung serviert zu bekommen. Die meisten von Mozarts Ohrwürmer sind drin, und was draußen bleiben musste, ist noch spannend und überraschend genug, um einen Besuch der „extended version“ – Jette Steckels heiß diskutierter „Zauberflöte“ im Großen Haus – zum Ereignis zu machen.

Möglich gemacht haben dieses Opernereignis auf der kleinen Bühne die Michael Otto Stiftung, The Young ClassX, die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper und die Nordakademie – Hochschule der Wirtschaft. Ihnen gilt der große Beifall am Ende mindestens ebenso herzlich wie dem singenden und spielenden Personal.

Und damit möglichst viele in der Stadt damit erreicht werden, wandert das kleine Juwel „Erzittre, feiger Bösewicht!“ nach einer kleinen Serie auf der Probebühne 1 gleich an drei andere Orte weiter.

Erzittre, feiger Bösewicht!

Musiktheater für Jugendliche nach W. A. Mozart. Neufassung der „Zauberflöte“ von Johannes Harneit
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Regie: Georges Delnon
Video: fettFilm
Kostüm: Eva-Maria Weber
Dramaturgie: Johannes Blum
Musiktheaterpädagogik: Eva Binkle

Die nächsten Termine:
Dienstag 25.04.2017, 19.00 Uhr, Probebühne 1;
Donnerstag 27.04.2017, 19.00 Uhr, Probebühne 1;
Sonntag 30.04.2017, 20.00 Uhr, Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg;
Mittwoch 03.05.2017, 19.00 Uhr, Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik, Altona;
Freitag 05.05.2017, 15.00 Uhr, Haus im Park, Bergedorf.
Ermäßigter Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: 10,00 Euro.
Karten unter Tel.: (040) 3568 68
Weitere Informationen

YouTube-Video:
Probeneinblick "Erzittre, feiger Bösewicht!"


Abbildungsnachweis: Alle Fotos: Brinkhoff/Mögenburg
Header: Lini Gong, Karina Repova
Galerie:
01. Renate Spingler, Sascha Emanuel Kramer
02. Karina Repova, Lini Gong, Renate Spingler
03. Sascha Emanuel Kramer, Karina Repova, Renate Spingler, Lini Gong
04. José Barros
05. Narea Son
06. Zak Kariithi, Sascha Emanuel Kramer, Narea Son