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Mystisch abstrakt formieren sich in einem kristallen anmutenden Rahmen dunkle Gebilde, scheinen sich geometrischen Figuren anzunähern, um aufzubrechen, sich zu zergliedern und schließlich der vollständigen Gegenstandslosigkeit zu erliegen: Das Fotogramm des Künstlers Christian Schad, entstanden 1919, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs, steht für ein radikales Umdenken in der Kunst und die Abkehr von der Gegenständlichkeit. Teil der später durch den Dadaisten Tristan Tzara als „Schadographien“ bezeichneten künstleri-schen Experimente mit Fotopapier, verbildlicht die Schattenkomposition des Werkes eine, so Schad, „Auflehnung gegen alles was bis dahin Bedeutung hatte“.

Schads Verwendung des Fotogramms als kreative Ausdrucksform war revolutionär: Zuvor setzte man die fotografische Technik, die ohne Kamera auskommt und auf dem Zusammenspiel von Licht, Fotopapier und mehr oder weniger lichtdurchlässigen Gegenständen basiert, vorrangig in der Naturwissenschaft ein, um etwa die feingliedrige Struktur von Pflanzenblättern zu dokumentieren. Noch bevor Man Rays einflussreiche Rayogramme entstanden und László Moholy-Nagy seine kontrastreichen Fotogramme schuf, experimentierte der kurzzeitig der Dada-Bewegung nahestehende Schad bereits mit dem Abstrakti-onspotential des Verfahrens für seine künstlerischen Zwecke. 
 
Die „Schadographie Nr. 11“, ein scherenschnittartiger, kleinformatiger Schattenabdruck von Papierschnipseln und Fundstücken, ist ein kühnes Spiel mit den Grenzen der Fotografie, das den Betrachter bewusst verunsichert: Wie ein Rorschachtest fordert die Komposition auf, im Mehrdeutigen das Eindeutige zu finden, die ungeordnete Tiefe der Kontraste mit Bedeutung aufzuladen. In dieser Aura der Uneindeutigkeit und scheinbaren Willkür manifestiert sich die „Schadographie Nr. 11“ als bildgewordenes Dada-Gedicht – ein Umstand, der sich bereits in dem von Tzara geprägten Wortspiel bemerkbar macht: In der Bezeichnung „Schadographie“ klingen sowohl der Name des Künstlers als auch das englische Wort „shadowgraph“ für Schattenspiel an. 
 
Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Beauf-tragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung des Bezirkes Un-terfranken, der Kurt-Gerd-Kunkel-Stiftung Aschaffenburg und der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau erwarb die Stadt Aschaffenburg mit der „Schadographie Nr. 11“ eines der frühesten Werke dieser außergewöhnlichen Technik. Das im Entstehen begriffene Christian Schad Museum in Aschaffenburg, in dessen Besitz Schads Pioniertat übergeht, wird damit die erste deutsche Institution sein, die ein solch frühes Fotogramm des Künstlers vorweisen kann.  

Quelle: Kulturstiftung der Länder 

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