Meinung
KlassikKompass – Die Welt der Bach Kantaten: Am 3. Ostertage

Ostern geht mit der Auferstehung Christi zu Ende und wir beenden den KlassikKompass und der Welt der Bach-Kantaten fürs erste.
Die beiden letzten bach-Cantatas zu denen ich hier Stellung beziehe sind “Ein Herz, das seinen Jesum lebend weiß“ BWV 134 und „Ich lebe mein Herze zu deinen Ergötzen“ BWV 145 .

Der Ursprung ist das ‚Triduum Sacrum’ (lateinisch für ‚heilige drei Tage’) oder ‚Triduum Paschale’ – ‘österliche drei Tage’ bezeichnet man in der Liturgie den Zeitraum, der mit der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstagabend beginnt, sich vom Karfreitag, dem Tag des Leidens und Sterbens des Herrn, über den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe des Herrn, erstreckt und mit dem Ostersonntag als Tag der Auferstehung des Herrn endet.

Die frühe Kirche verstand unter dem ‚Triduum Sacrum’ die Dreitagefeier vom Leiden, der Grabesruhe und der Auferstehung Jesu Christi. Es umfasste ursprünglich den Freitag vor Ostern als Tag des Todes, den Samstag als Tag der Ruhe und den Ostersonntag als Tag der Auferstehung.
Der Begriff taucht wohl zum ersten Mal im 4. Jahrhundert bei dem Kirchenvater dem Bsichof von Mailand Ambrosius (339-397) auf und wird von dessen Schüler Augustinus (354-430) theologisch vertieft.
Für die spätantike Kirche war es noch selbstverständlich, Leiden und Auferstehung Jesu als zwei Seiten desselben Heilsereignisses (‚Paschamysterium’) zu begreifen; so bildete das ganze Triduum eine einheitliche, durchgehende Liturgie aus.
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Im Mittelalter ging der Sinn für diesen Zusammenhang verloren. Das Leidensgedächtnis einerseits und die Feier der Auferstehung andererseits verselbständigten sich mehr und mehr. So kam es zu einer Verdoppelung des Triduums. Man beging ein erstes Triduum, das vom Gründonnerstag bis zum Karsamstag reichte, als dreitägiges Leidensgedenken mit dem Karfreitag als Mittel- und Höhepunkt.
Ein zweites Triduum von Ostersonntag, Ostermontag und Osterdienstag schloss sich an, das die Form von drei arbeitsfreien Feiertagen hatte.
Noch die liturgischen Bücher, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Anschluss an das Konzil von Trient herausgegeben wurden, heben den Montag und den Dienstag der Osteroktav gegenüber den anderen Tagen der Osteroktav hervor.

Der Osterdienstag als dritter Osterfeiertag verschwand in den meisten Regionen im 19. Jahrhundert, meist im Rahmen von Säkularisation und Aufklärung.

Johann Sebastian Bach schrieb komponierte zwei weitere Dialogus Cantatas zum dritten Osterfesttag die zwar instrumental dünner besetzt sind, als die festlichen zum ersten und zweiten Ostertag doch sie weisen eine ganz besondere musikalische Schönheit auf.

„Auf, Gläubige, singet die lieblichen Lieder,
Euch scheinet ein herrlich verneuetes Licht.
Der lebende Heiland gibt selige Zeiten,
Auf, Seelen, ihr müsset ein Opfer bereiten,
Bezahlet dem Höchsten mit Danken die Pflicht“
Evangelium des Lukas Kapitel 24 ff

„Da sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach:Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz?

Sehet meine Hände und meine Füße: ich bin's selber.
Fühlet mich an und sehet; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, daß ich habe. Und da er das sagte, zeigte er ihnen Hände und Füße.

Da sie aber noch nicht glaubten, vor Freuden und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen?
Und sie legten ihm vor ein Stück von gebratenem Fisch und Honigseim.
Und er nahm's und aß vor ihnen.
Er sprach aber zu ihnen: Das sind die Reden, die ich zu euch sagte, da ich noch bei euch war denn es muß alles erfüllet werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz Mose's, in den Propheten und in den Psalmen.

Da öffnete er ihnen das Verständnis, daß sie die Schrift verstanden, und er sprach zu ihnen: Also ist's geschrieben, und also mußte Christus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage und predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern und anheben zu Jerusalem.

Ihr aber seid des alles Zeugen.“

Warum feierte man zu Bachs Zeiten drei Ostertage? Die Zahl Drei hatte lange Zeit in der Mystik der Kirche magische Bedeutung: so gab es auch drei Pfingsttage und Trinitatis – Gott als Dreieinigkeit – drei Funktionen – Vater, Sohn und Heiliger Geist – eine Idee die der Kirche bis heute erhalten blieb.


Bach Cantata BWV 134 ‚Ein Herz, das seinen Jesum lebend weiss’
Uraufführung 11. April 1724 aus Leipzig
Text: unbekannter Dichter

Die erste dieser Dialogus Cantatas ‚Ein Herz das seinen Jesum lebend weiss’ wurde aus einer weltlichen mit dem Titel ‚Die Zeit, die Tag und Jahre macht’ BWV 134a umgearbeitet und umgetextet.
Der unbekannte Textdichter bearbeitete die weltliche Kantate in einfachster Weise, indem er die Reihenfolge der Sätze beibehielt und lediglich die Sätze 5 und 6 wegließ. Dadurch entstand eine ungewöhnliche Kirchenkantate, die zunächst nur aus Sätzen für die Solisten Alt und Tenor besteht und nicht mit einem Choral endet, sondern mit einem prächtigen Schlusschor, in dem die Solisten weiterhin beteiligt sind.
Die Einleitung ist ein relativ schlichtes nur Basso Continuo begleitetes Rezitativ

Tenor
Ein Herz, das seinen Jesum lebend weiß,
Empfindet Jesu neue Güte
Und dichtet nur auf seines Heilands Preis.

Alt
Wie freuet sich ein gläubiges Gemüte.

Der Text der ersten Arie für den Tenor bezieht sich nur sehr allgemein auf das Evangelium mit Formulierungen wie ‚Der lebende Heiland gibt selige Zeiten’.
Das Soloinstrument ist eine Oboe und der Gläubige wird vom Tenor in tänzerischer und mitreißender Form aufgefordert die Auferstehung mit Liedern und Danken mitzufeiern.
„Auf, Gläubige, singet die lieblichen Lieder,
Euch scheinet ein herrlich verneuetes Licht.
Der lebende Heiland gibt selige Zeiten,
Auf, Seelen, ihr müsset ein Opfer bereiten,
Bezahlet dem Höchsten mit Danken die Pflicht.“

Das folgende Dialog Rezitativ beschreibt nochmal – vom Basso Continuo begleitet – die höchst persönliche Furcht von Tod und Auferstehung in sehr barocker Weise – namentlich wenn es um den Satan geht – Christus ist zur Hölle gefahren und wieder aufgefahren damit uns diese Reise erspart bleibt.

Die beruhigende Botschaft: ,Gott schützt die ihm getreuen Seelen’...

Tenor
Wohl dir, Gott hat an dich gedacht,
O Gott geweihtes Eigentum;
Der Heiland lebt und siegt mit
Macht Zu deinem Heil, zu seinem Ruhm

Muss hier der Satan furchtsam zittern
Und sich die Hölle selbst erschüttern.
Es stirbt der Heiland dir zugut
Und fähret vor dich zu der Höllen,
Sogar vergießet er sein kostbar Blut,

Dass du in seinem Blute siegst,
Denn dieses kann die Feinde fällen,
Und wenn der Streit dir an die Seele dringt,
Dass du alsdann nicht überwunden liegst.

Alt
Der Liebe Kraft ist vor mich ein Panier
Zum Heldenmut, zur Stärke in den Streiten:
Mir Siegeskronen zu bereiten,

Nahmst du die Dornenkrone dir,
Mein Herr, mein Gott, mein auferstandnes Heil,
So hat kein Feind an mir zum Schaden teil.

Tenor
Die Feinde zwar sind nicht zu zählen.

Alt
Gott schützt die ihm getreuen Seelen.

Tenor
Der letzte Feind ist Grab und Tod.

Alt
Gott macht auch den zum Ende unsrer Not.

Ein weiteres absolutes ‚Highlight’ dieser wunderschönen Oster Cantata ist das folgende Duett mit jubelnden parallel geführten Violinen:
„Wir danken und preisen dein brünstiges Lieben
Und bringen ein Opfer der Lippen vor dich.
Der Sieger erwecket die freudigen Lieder,
Der Heiland erscheinet und tröstet uns wieder
Und stärket die streitende Kirche durch sich.“

Es folgt ein weiteres Dialog-Rezitativ, das nochmal und noch deutlicher besonders die persönliche Wirkung der Auferstehung und des Dankes umschreibt.

Mir gefällt besonders die Idee und Zeile: „Und dass man nun nach deinem Auferstehen. Nicht stirbt, wenn man gleich zeitlich stirbt, Und wir dadurch zu deiner Herrlichkeit eingehen...“
Ich finde jemand, der solche kräftigen Bilder schreiben kann, ist kein ‚armseliger’ Textdichter wie mancher diesem unbekannten Autoren vorgeworfen hat – Bach hat diesen Text ja nicht ohne Grund mit strahlender Musik geadelt...

Tenor
Doch würke selbst den Dank in unserm Munde,
In dem er allzu irdisch ist;
Ja schaffe, dass zu keiner Stunde
Dich und dein Werk kein menschlich Herz vergisst

Ja, lass in dir das Labsal unsrer Brust
Und aller Herzen Trost und Lust,
Die unter deiner Gnade trauen,
Vollkommen und unendlich sein.

Es schließe deine Hand uns ein,
Dass wir die Wirkung kräftig schauen,
Was uns dein Tod und Sieg erwirbt

Und dass man nun nach deinem Auferstehen
Nicht stirbt, wenn man gleich zeitlich stirbt,
Und wir dadurch zu deiner Herrlichkeit eingehen

Alt
Was in uns ist, erhebt dich, großer Gott,
Und preiset deine Huld und Treu;
Dein Auferstehen macht sie wieder neu,
Dein großer Sieg macht uns von Feinden los
Und bringet uns zum Leben;
Drum sei dir Preis und Dank gegeben.

Zum guten Abschluss ein wirklich grundfröhlicher Chor in Form eines Ritornells unter Mitwirkung der beiden Dialogpartner, die mit allen in den großen Lobgesang von Himmel und Erde einstimmen:
„Erschallet, ihr Himmel, erfreue dich, Erde,
Lobsinge dem Höchsten, du glaubende Schar,
Es schauet und schmecket ein jedes Gemüte
Des lebenden Heilands unendliche Güte,
Er tröstet und stellet als Sieger sich dar.“

Es gibt Bach Cantatas, deren Musik weist über den Tag ihrer Bestimmung weit hinaus – diese gehört sicherlich dazu.

Wir empfehlen die blutvolle Aufführung von Sir John Eliot Gardiner der sich hier wieder mal ein ‚Pop-Denkmal’ mit seiner Bach-Interpretation setzt – auf der gleichen CD zu finden, die oben beschrieben wurde, Made in ‚Eisenach’ an Ostern 2000.

Der Auferstandene segnet seine Jünger in Jerusalem.


Bach Cantata BWV 145 ‚Ich lebe mein Herze zu deinem Ergötzen’
Uraufführung 19. April 1729 in Leipzig
Text: Christian Friedrich Henrici (Picander) Choral: ‚ Erschienen ist der herrlich Tag’
Nikolaus Hermann 1560
Evangelisches Gesangbuch No.106

Nun fordre, Moses, wie du willt,
Das dräuende Gesetz zu üben,
Ich habe meine Quittung hier
Mit Jesu Blut und Wunden unterschrieben.

Dieselbe gilt,
Ich bin erlöst, ich bin befreit
Und lebe nun mit Gott in Fried und Einigkeit,
Der Kläger wird an mir zuschanden,

Denn Gott ist auferstanden.
Mein Herz, das merke dir!

‚Ich lebe, mein Herze, zu deinem Ergötzen’ BWV 145 ist eine Bach Cantata für den 3. Ostertag. Er schrieb sie in Leipzig und führte sie vermutlich am 19. April 1729 zum ersten Mal auf.
Die fünf Sätze Cantata beruhen erneut auf einem Text, den ‚Picander’ der ihn in seinem Kantatenjahrgang von 1728 veröffentlichte, daher erscheint wahrscheinlich eine erste Aufführung am 19. April 1729.

Die Cantata lässt zum ersten Mal den Auferstandenen selbst zu Wort kommen – im Tenor, die ‘Vox Christi’, die sich bereits im einleitenden Accompagnato mit der ‘Anima’, der Seele gesungen vom Sopran unterhält – umspielt von einer eine konzertierenden Violine.

Jesus
Ich lebe, mein Herze, zu deinem Ergötzen,

Seele
Du lebest, mein Jesu, zu meinem Ergötzen,

Jesus
Mein Leben erhebet dein Leben empor.

Seele
Dein Leben erhebet mein Leben empor

Beide
Die klagende Handschrift ist völlig zerrissen,
Der Friede verschalt ein ruhig Gewissen
Und öffnet den Sündern das himmlische Tor.

Das folgende Rezitativ des Tenor, begleitet vom Basso Continuo mit Orgel, geht von der Dialogus Form weg und der Tenor kommentiert, jetzt nicht mehr Christus, und klärt die Wirkung der Auferstehung die selbst das Alte Testament und seine oft gnadenlosen Gesetze außer Kraft setzt.

„Nun fordre, Moses, wie du willt,
Das dräuende Gesetz zu üben,
Ich habe meine Quittung hier
Mit Jesu Blut und Wunden unterschrieben.
Dieselbe gilt,

Ich bin erlöst, ich bin befreit
Und lebe nun mit Gott in Fried und Einigkeit,
Der Kläger wird an mir zuschanden,
Denn Gott ist auferstanden.“

Besonders langsam tragend betont und reich ausgeschmückt die Zeile:
„Mein Herz, das merke dir!“
Sie leitet auf das Herzstück der kurzen Cantata hin – der Bassarie wieder mit der hellen Osterlicht-Trompete bestrahlt:
„Merke, mein Herze, beständig nur dies,
Wenn du alles sonst vergisst,
Dass dein Heiland lebend ist
Lasse dieses deinem Gläuben
Einen Grund und Feste bleiben,
Auf solche besteht er gewiss.

Die Seele setzt den Oster-Schlusspunkt mit dem folgenden Rezitativ:
„Mein Jesus lebt,
Das soll mir niemand nehmen,
Drum sterb ich sonder Grämen.
Ich bin gewiss
Und habe das Vertrauen,
Dass mich des Grabes Finsternis
Zur Himmelsherrlichkeit erhebt;
Mein Jesus lebt,
Ich habe nun genug“

Der Schlusschoral ist die 14. und letzte Strophe von Nikolaus Hermans Osterlied ‚Erschienen ist der herrlich Tag’ (siehe unten)
Wir empfehlen auch hier wieder die Aufnahme aus ‚Eisenach’ von der ‚Bach Cantata Pilgrimage’ des John Eliot Gardiner.
Der Vergleich aller drei Bach Auffassungen – Herrweghes Psychologie, Kuijkens filigrane Aufführung mit einem Part pro Stimme, Gardiners vollblütiger Bach, zeigen welch interessantes und breites Spektrum moderne Bach-Aufführungspraxis nach Originalklang Muster heutzutage zu Gehör bringt.

Es ist spannend dem zu folgen und es macht Bachs Welt der Cantatas aktueller und musikalisch origineller denn jemals zuvor – vielleicht sogar mehr als der Thomaskantor sie zu Lebzeiten selbst erfahren hat.

Der erstandene Christus trifft Maria Magdalena „Ich lebe mein Herze, zu Deinen Ergötzen“:
„Drum wir auch billig fröhlich sein
Singen das Halleluja fein
Und loben dich, Herr Jesu Christ
Zu Trost du uns erstanden bist
Halleluja!“

In der nächsten Ausgabe der KlasssikKompass-Reihe geht mit den beiden letzten Teilen von „Musik im Mittelalter“ weiter.


Ihr Herby Neubacher


Abbildungsnachweis:
Header: Detail aus Ostern – Jesus zieht Adam und Eva aus dem Grab. Quelle: Wikicommons.
Galerie:
01. Auferstehung Christi, 1499, von Perugino. Zu diesem Bildtypus gehört die Fahne als Symbol des Sieges über den Tod. Quelle: Wickicommons
02. Michelangelo Merisi da Caravaggio: „Der ungläubige Thomas“, 1601-1602, Öl auf Leinwand. Sanssouci, Potsdam. Quelle: Wickicommons.