Meinung
Goldene Kamera

Es war schon spannend gestern. Nicht weil die Dramaturgie solcher Preisverleihungen Überraschendes bot.
Die Muster sind bei der mittlerweile Vielzahl (Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Fernsehpreis, Burda-Bambi, etc.) immer die gleichen und folgen dem großen Oscar-Vorbild.
Die Spannung liegt eher in der Persönlichkeit der Ausgezeichneten. Was bringen sie jenseits der Weitergabe des Lobs auf das Team, die Eltern, den Freund oder Freundin, der Versicherung, keine lange Rede zu halten und zuweilen das Gegenteil zu tun oder die Überraschung und die eigene Sprachlosigkeit zu präsentieren, als Charisma herüber?
Unterschiedlich auch die eingeflogenen Hollywood-Stars. Manchmal hat man den Eindruck, des „Bloß wieder weg" und „Was tu ich mir an" oder „für Geld und Promotion ist es eine Pflichtübung".

Gestern war das anders, dank der sympathischen Oscar-Preisträgerin Gwineth Paltrow und der Stimmungskanone am anderen Ende der ersten Reihe, die Schauspielerin Diane Keaton, die ihren Golden Globe-Gewinner mit dem unaussprechlichen Namen stimmungsmäßig mitriss und auch die für Angelsachsen mitunter als Durststrecke zu empfindenden Ehrungen nationaler Schauspieler überbrückte.

Die Ehrungen deutscher Schauspieler mögen ja noch interessante Einblicke für die Übersee-Kollegen bieten. Auch hier hätten manche das Zeug zu Weltstars, wenn sie der englischen Sprachfamilie entstammten.
Keaton setzte in ihrer munteren, lockeren Plauderei und dem abschließenden Gesang dem Abend die Krone auf. Die Standing-Ovations waren berechtigt.
Die Sketche der Moderatoren hatten nicht immer internationales Niveau. Der Spaß auf die Italien-Liebe der Nachkriegsdeutschen mit dem Beispiel aus der Schlager-Musikfilmwelt der 50er-Jahre kam nicht überall an, wie die Gesichter von Ornella Muti und ihrem Begleiter offenbarten. Bei den Kameraeinblendungen hatten sie offenkundig den Biss in eine Zitrone der Orange vorgezogen.

Warum man sich aber letztlich mit einer Spur von Voyeurismus dieser stundenlangen Liveshow unterzog, war die Veränderung der Medienlandschaft. Die Hamburger „Hörzu“ und die Preisverleihung der Goldenen Kamera, die gestern zum 49. Mal erfolgte, war neben dem Hamburger Abendblatt eine Herzensangelegenheit von Axel Springer. Die Zeitschrift landete auf dem Ramschtisch und der Wechsel zur Funke-Gruppe wurde nur deshalb nicht vollzogen, weil das Kartellamt noch grünes Licht geben muss.

„Ich bin hier – sie nicht"

Die spannende Frage, wer würde den Verlag an diesem Abend noch repräsentieren?
Würde sich wie in den Jahren zuvor die Verlegerwitwe an der Seite der Weltstars in der ersten Reihe zeigen? Die Ahnung trog nicht. Friede Springer wurde von keiner Kamera eingefangen und die Verlagsvertretung beschränkte sich auf zwei sauertöpfisch blickende Herren des Magazins.
Zu Gewissheit geriet die Ahnung als der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz für sein Lebenswerk geehrt wurde und er die Danksagung formulieren sollte. Da fiel ein grelles Licht auf die Abwesende. Bruno Ganz schilderte hintergründig, seinen ersten Besuch bei „Springer, als die noch viele Zeitungen hatten". Der Gesprächspartner des Verlages wollte unbedingt mit ihm Essen gehen. Auf dem Flur stießen sie auf eine Frau, der sich Bruno Ganz artig vorstellen wollte. Das müsse er nicht, soll Friede Springer gesagt haben, sie kenne ihn: „Klaus Maria Brandauer“, schilderte der Träger des Iffland-Ringes (diese Ehrung wurde nicht erwähnt und war Hape Kerkeling und Michelle Hunzinger wohl nicht bekannt).
Einige Jahre später hätte Friede Springer bei einer zufälligen Begegnung Ganz im „sexy Berlin" vom Betreten einer verbotenen Zone abgehalten und ihm den Weg zur U-Bahn gewiesen. Nun könnte Friede Springer sehen, was aus diesem „Kerl" geworden ist. „Ich bin hier, sie nicht".

Das in der Woche, in welcher der SPIEGEL nicht gerade galant mit dem Konzernchef Mathias Döpfner umging, den Zahlen mehr als Sendungsauftrag und berufliches Ethos eines Verlegers interessierten und der so das Erbe verschleudere unter der Obhut einer Witwe, die parallel auch abgewatscht wurde.
Nun diese öffentliche Ohrfeige und Missachtung galanter Umgangsformen. War sie gerechtfertigt und symbolhaft für eine veränderte Presselandschaft, die manche schon als Anschlag auf eine Kultur oder wenigstens den Qualitätsjournalismus empfinden?

Bemerkenswert: Wenigstens bis in die Morgenstunden keine Reaktion in den Medien. Besonders kleine Zeitungen melden sich bei einer solchen Äußerung, immerhin die eines der bedeutendsten deutschsprachigen Schauspielers zu Wort. "Funk-Stille", weil diese weitgehend in der Hand eines weiteren Konzerns sind, der die Springerblätter übernehmen will? Man wird sehen, ob dies schon ein Fingerzeig für die sich abzeichnende Pressewelt ist.

Ihr Peter Schmidt


Peter Schmidt war u.a. 20 Jahre Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, danach mehrere Jahre Deputierter der Kulturbehörde, Gründer mehrerer Kultur- und Völkerverbindende Vereine wie "Hanse Brücke" und "Hamburger Aufschrei für Zivilcourage". Außerdem übernahm er viele Jahre die PR-Arbeit für ein Hamburger Orchester. Seit 2003 ist er Sprecher der Hamburger Autorenvereinigung (Mitglied des Vorstandes).

Abbildungsnachweis: Die Goldene Kamera, "Hörzu"
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