Meinung
mail aus riga - Nebels Welt XXI

Von der Globalisierung im Kleinen, vom Osten und vom Westen.
Das war ein Spaß, was haben wir gelacht. Das war echt komisch. Hat doch der große Markenartikelhersteller Henkel aus Deutschland (nach deren Selbstverständnis weltweit) einen Toilettenreiniger auch in der Ukraine auf den Markt gebracht. In Fluggenformat und blau und gelb; na, da war was los! Das ist schon verständlich. Hierzulande wären viele auch erbost darüber „Schwarz-Rot-Gold“ im eigenen Klo wiederzufinden.

Henkel nahm den Stein des Anstoßes in Osteuropa (!) vom Markt. Wieso nur Osteuropa? Ist das im Westen weniger beleidigend? Es ist anzunehmen, dass mit „Ost“ auch Polen, Tschechien und andere gemeint waren. Das ist natürlich geografisch ein weiterer Blödsinn. Als Entschuldigung wurde noch ausgeführt, dass in der Henkel-Welt blau für Wasser und gelb für Zitronen steht.

Aha! Was legt sich die Ukraine auch solch eine Nationalflagge zu. Da sich ähnliche Umstände ebenso in anderen Unternehmen wieder finden, kann von Systemimmanenz gesprochen werden. Überhaupt erlebt das Wort „Westen“ derzeit eine Renaissance. Früher, als es noch den eisernen Vorhang gab, war alles klar. Diesseits war Westen, jenseits war Osten. Wenn Außenminister Guido Westerwelle von einer Antwort des Westens auf die Vorkommnisse in Arabien spricht, wäre es gut zu wissen, wen er damit genau meint. Polen, Tschechien und Lettland gehören noch dazu?

Sein Amtskollege Hague in Großbritannien spricht auch nur noch vom Westen, der etwas tun müsse. Andere Geister reden ebenso. In den Medien wird das unreflektiert übernommen. Auch DIE ZEIT im ersten Aufmacher der Ausgabe vom 22.8. So sieht es aus, wenn die Geografie politisch wird.
Ein weiteres Beispiel in einem anderen Unternehmen, gut zwei Jahre her. Bericht und Interview mit dem zuständigen Vorstand für Europa in der Mitarbeiterzeitung. Solche Artikel werden vor Erscheinen rauf und runter gelesen, jedes Wörtchen wird auf die Goldwaage gelegt. Dazu gab es eine extra erstellte Landkarte, damit jeder weiß wo was ist. Nun war auf dieser die DDR noch gekennzeichnet. Auch dass Zypern mit Kreta verwechselt wurde, sollte vor dem globalen Hintergrund, dem man sich verschrieben hat, nicht allzuheftig beklagt werden. Das Große und Ganze sei doch entscheidend. Aber es gab noch mehr merkwürdiges zu rezipieren. Ostthrakien in einer Provinz im Norden von Griechenland, mit starker türkische Minderheit, war plötzlich Teil der Türkei – damit praktisch Westthrakien. Dafür erhielt Griechenland südliche Teile von Mazedonien und Bulgarien zugeschlagen und hatte damit einen direkten Zugang zum Schwarzen Meer. Alle diese Länder sind in innigster Abneigung verbunden. Wer macht so etwas? Wer sieht so etwas nicht? Solche Grenzen hat es in der Vergangenheit nie gegeben.

Leicht gemacht, könnte behauptet werden, dass der so lange apostrophierte Bildungsnotstand jetzt auch die Führungsebene deutscher Unternehmen
erreicht. Es geht tiefer. Großunternehmen neigen dazu, sich fast in sektiererischer Weise ab zu kapseln. Nur die eigene Wahrnehmung und das eigene Weltbild zählt. Ob man auf Dauer so wirklich in den Märkten erfolgreich sein kann, ist fraglich. Gottlob gibt es den Wettbewerb, der so etwas sanktioniert.

Aber dies wäre nun wieder eine ganz andere Geschichte.

Ihr Klaus Peter Nebel


Prof. Dipl.-Bibl. Prof. h.c. Klaus Peter Nebel ist Leiter des Studiengangs Kultur- und Medienmanagement an der Lettischen Kulturakademie in Riga/Lettland. Von 2007 bis 2010 arbeite er als Professor für Marketing- und Unternehmenskommunikation an der UMC (University of Management and Communication), Berlin, Potsdam; In den Jahren 2007 und 2008 war er als Direktor der Konzernkommunikation der maxingvest AG, Hamburg tätig (Holding für Beiersdorf AG, Tchibo GmbH, tesa AG) und Leiter der Unternehmenskommunikation der Tchibo GmbH, Hamburg. Über 20 Jahre, von 1983 bis 2007 war er Leiter Presse & Public Relations der Beiersdorf AG in Hamburg.

Hinweis: Die Inhalte dieser "Kolumne" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.

Foto Header: Claus Friede

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