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Gemeinhin wird ein Genie dafür angesehen, dass es sich weit über ein wie auch immer festzulegendes Normalmaß hinausbegeben hat. Genauer: Es ist das zum Grenzübertritt willenlos Getriebene, dem sich zu widersetzen ausgeschlossen ist.

Etwas Monströses und ungebunden Halsbrecherisches, grade so wie eine unkontrolliert hereinbrechende Naturgewalt, scheinen die unverzichtbaren Ingredienzien eines von der Mitwelt mit Ehrfurcht angestaunten Ausnahmemenschen zu sein. So dass dem Genie das dynamische Erhaben-Sein wesentlich zuzurechnen ist.

 
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Schopenhauer und unbekannt?! Das passt, denken der Kenner und der gebildete Laie (generisches masculinum), nicht zusammen. Jedenfalls nicht für dieses und das letzte Jahrhundert. Denn zu Lebzeiten ist es um den Bekanntheitsgrad des pessimistischen Querdenkers nicht wirklich gut bestellt gewesen.

Der Quengler, Miesepeter und Misanthrop lebte über Jahrzehnte hinweg in geistig-intellektueller Isolation. Beherrschte das Unbeherrschtsein – die frustrierte Reaktion eines in seiner Bedeutsamkeit nicht erkannten philosophischen Bahnbrechers – wie kein zweiter seiner Zeitgenossen.

 
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So auch, wenn auch ganz anders, in der Mathematik. Der Physik. Oder der Chemie.

Kurz, in allen naturwissenschaftlichen Fächern. Gut. Grundlagenkenntnisse sind hier wie sonst unverzichtbar. Axiomatik, Dimensionenlehre, Protonen- und Neu­tronenzahlen, Kernbausteine, Anzahl der diversen Elektronen auf den Scha­len.

 
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Einstein liest Nietzsche… Bitte?! Die Nietzschephilologen und -forscher greifen sich an den Kopf. „Worauf soll das hier hinaus?“, mögen sie sich fragen. Das Inkommensurable kommensurabel zu machen, mag in der Mathematik ja noch hingehen.

Wenngleich…

 

Doch das steht auf einem anderen Blatt. Aber wenn behauptet wird, der Genius der theoretischen Physik habe den unzeitgemäßen Kultur- und Geschichtskritiker auch nur flüchtig zur Kenntnis genommen, sich gar ernsthaft mit ihm beschäftigt… Also nein! Wir lassen uns doch nicht verhohnepipeln, und das geht entschieden zu weit! Unwilliges Kopf- und selbst Fäusteschütteln macht sich breit. Unverhohlen ärgerliches Gemurmel erfüllt den Raum. Der Sturm der Entrüstung ist kurz davor loszubrechen.

 
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Die Geschichte ist schnell erzählt. Eine junge Frau aus einem Vorstadtwohnghetto in Stockholm, eine dem Alkohol verfallene Mutter und ein Freund, der in seiner treuherzigen Liebe und unbeholfenen Zuneigung zu der unter Aggressionsschüben leidenden 20jährigen anrührend wirkt – stets bemüht und stets überfordert – bilden den Lebenshintergrund eines Dahinvegetierens ohne jede vertretbare Perspektive.

 

Das ganz normale Leben in der Tristesse des städtebaulichen Verfalls und der Verwahrlosung, wie es heute am Rand der Ballungszentren weltweit längst Standard ist. Die typische No-Future-Generation. Zu der auch diese Katarina gehört.

 
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„Denn ausnahmslos bewährt sich jenes Unglück, daß alles verrostet werden kann mit betriebsamer Interessantheit, sich anpreisender Mode und ästhetischer Geschmäcklerei. Entgiftet, entspannt, vernichtet wird in dieser Zeit besonders gern durch Lob, das ist eine ausgezeichnete Taktik, wobei solche Bücher wie der Geist der Utopie, oder Das Prinzip Hoffnung (…) selbstverständlich keine Ausnahme darstellen können.“

(Gespräche mit Ernst Bloch, edition Suhrkamp, S. 164f.)

 
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„Das Gesicht legt sich nun so glatt wie möglich, der Angestellte will so schlank, so faltenlos sein wie sein Kleid und hält sich danach. Er setzt sich damit in Vorteil, aber in jenen, den die wirklichen Herrn von dem kleinen Mann haben. Also wirft ihn das Glas (des Spiegels, F.-P.H.) nicht einmal zurück, wie er sich selber wünscht, sondern eben wie er gewünscht wird. Dergleichen ist genormt gleich den Handschuhen im Laden, gleich dem Ladenlächeln des Verkäufers, das zum allgemeinen und vorgeschriebenen geworden ist. Unter Angst und Öde lächeln, das ist jetzt das amerikanische Zeichen der Herren, die keine sind. Gewollt ist damit, sie sollen sich gleichen wie ein Ei dem anderen, und lauter Hühner kriechen aus. (…) Zum Zweck, daß dadurch der Herzenswunsch des Geschäftsmanns selber erfüllt werde: Profit zu machen.“ (Das Prinzip Hoffnung, Erster Band, stw, 1973, S. 396/398)

 
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„Das Dunkel des gerade gelebten Augenblicks dagegen bleibt in seiner Schlafkammer; aktuelles Bewußtsein ist gerade nur in bezug auf ein eben vergangenes oder für ein erwartet anrückendes Erlebnis und seinen Inhalt da. Der gelebte Augenblick selber bleibt mit seinem Inhalt wesenhaft unsichtbar, und zwar desto sicherer, je energischer Aufmerksamkeit sich darauf richtet: an dieser Wurzel, im gelebten Ansich, in punktueller Unmittelbarkeit ist alle Welt noch finster.“ (Das Prinzip Hoffnung, Erster Band, stw, 1973, S. 338)

 
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„Doch mindestens ebenso verdächtig wie die Unreife (Schwärmerei) der unentwickelten utopischen Funktion ist die weit verbreitete und freilich ausgereifte Plattitüde des Vorhandenheits-Philisters, des Empiristen mit den Brettern vorm Kopf, die nicht die Welt bedeuten, kurz, ist die Bundesgenossenschaft, worin der dicke Bourgeois wie der flache Praktizist das Antizipierende allemal, in Bausch und Bogen nicht nur verworfen, sondern verachtet haben. Ja die Bundesgenossenschaft – aus Abneigung gegen jeden Modus von Wünschbarkeiten, vorab gegen die vorwärtstreibenden – hat sich zuletzt sogar, konsequenterweise, um den – Nihilismus vermehrt.“

(Das Prinzip Hoffnung, Erster Band, stw., 1973, S. 164)

 
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„Principiis obsta, das ist, Treue zum Anfang, der seine Genesis erst noch hat.“ (Ernst Bloch, Tübinger Einleitung in die Philosophie 2, es, 1972, S. 179)

Doch was hilft es, wenn die Kräfte nicht ausreichen. Pläne zu schmieden mag das Privileg der Jugend sein. Die Frage aber ist: schließen sich Taten an? Oder sind die Pläne von vornherein nichts anderes als Luftschlösser gewesen? Die womöglich nur zu dem Zweck publik gemacht, also im Freundeskreis bekannt gemacht worden sind, um sich den Schein von Interessantheit zu geben, Eindruck zu schinden, indem man Aufmerksamkeit erregt.

 
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„Es ist nicht gut, nebenher zu leben. Aber aufs Nebenbei zu achten, ringsum, das ist ein anderes, hilft weiter. Der Blick hierfür kann nicht scharf genug geübt werden. Er achtet auf das, was nicht in den glatten Kram paßt, und achtet es besonders. Er rauht auf, hält an, wo das übliche Auge nichts sieht, also weitergleitet. (…) Bedacht Kleines beiseite kann derart wichtiger sein als pensionierter Gedankenzug, der nur noch mit sich selbst verkehrt.“

(Ernst Bloch, Tübinger Einleitung in die Philosophie 2, es, 1972, S. 89f.)

 
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Das Prinzip Hoffnung, 1959 im Suhrkamp Verlag erschienen, ist seitdem unzählige Male zitiert und, so viel steht fest, mindestens – ich scherze – genauso häufig nicht gelesen worden. Und ganz bestimmt nicht zur Gänze. Gemeinhin haben Interessiert-Desinteressierte – vor allem Fußball- und Sportkommentatoren und die Tendenzkundigen der Vierten Gewalt – lediglich etwas von dem Titel dieses gut Eintausendsechshundertseitenwälzers – in der dreibändigen stw-Taschenbuchausgabe – läuten gehört. Aber selbst Studenten – generisches Masculinum! – sind vermutlich in Seminaren nur ganz am Rande von der antizipierenden Gedanken- und Tatwelt dieses Schmökers gestreift worden.

 
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Wenn einem Hören und Sehen vergeht, oder: „der übersprungene Raum“.

Es gibt diese Bücher, bei denen man, Thomas Mann zitierend, ausruft: „Halt! Epoche! Das kommt zu mir!“ Bereits nach wenigen Zeilen oder gar Worten schrillen die Alarmglocken. Du weißt, jetzt bist du mit einem Autor konfrontiert, der dir was zu sagen hat, weil er was zu sagen hat. Weil einiges zusammenstimmt: Versiertheit, meint, ein schlafwandlerisches Beherrschen der Stofffülle, gepaart mit einer Klarheit des Wortes, die beweist, dass etwas bis auf den Grund gedanklich durchforscht und begriffen worden ist.

So auch und wie sehr im Falle dieses Autors: klar, nüchtern, streng ist die Schreibe. Kurzum, prägnant; treffsicher. Aber man merkt darüber hinaus, da meldet sich einer zu Wort, der Freude hat am Erkennen und Freude daran, das Erkannte und in vermutlich mühevoller Arbeit Durchdrungene weiterzugeben an Leser, die gleichfalls Freude und Enthusiasmus empfinden, wenn es darum geht, seinen geistigen Horizont zu erweitern. Oder ganz einfach schlauer zu sein danach als davor.

 
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Kant, auf den Alois Riehl im Ersten Band dieses nach der zweiten Auflage zitierten Dreiteilers Bezug nimmt, sagt in der transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft: „alle Bedingungen, die der Verstand jederzeit bedarf, um etwas als notwendig einzusehen, vermittelst des Wortes: unbedingt wegwerfen, macht mir noch lange nicht begreiflich, ob ich alsdann durch meinen Begriff eines unbedingt Notwendigen noch etwas, oder vielleicht gar nichts denke‘“ (I, 569).

Und Alois Riehl respondiert: „Auf der Höhe der Abstraktion drehen wir uns mit dem Dogmatiker ewig im leeren Kreise der Begriffe, erst durch die Beziehung auf das Wirkliche wird unser Wissen zum Beurteilen von etwas, was da ist, wird das jungfräuliche Denken durch gegenständlichen Inhalt befruchtet, und damit allererst Erkenntnis“ (I, 182).

 

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