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Claudio Monteverdi: Marienvesper (Vespro della Beata Vergine)

Claudio Monteverdi (1567-1643) gehört zu den namhaftesten Komponisten der Übergangszeit von der Renaissance zum Barock. Kaum ein anderes Werk des 17. Jahrhunderts hat solchen Eingang in die heutige Musikpraxis gefunden. Die Marienvesper wurde um 1610 veröffentlicht, also etwa drei Jahre nach seiner bedeutenden Oper „L’Orfeo“. Sie wurde am Hofe von Mantua erarbeitet und besteht aus einem Invitatorium, fünf Psalmen, einem Hymnus und einem Magnificat, in Lateinischer Sprache und wurde Papst Paul V. gewidmet.

Gestritten wird – seit sich die Musiktheorie dem Werk Monteverdis ab den 1940er-Jahren intensiv zuwandte, ob es sich bei der Marienvesper um eine lose Sammlung einzelner geistlicher Kompositionen handle – dafür spricht unter anderem auch die stark wechselnde Besetzung, sowie die Beschränkung der instrumentalen Zwischenspiele auf nur einige Teile der gesamten Vesper – oder ob Monteverdi ein großformatiges, innovativ neues Meisterwerk schuf, das seinen musikalischen Kosmos hierin vereinte.
Ungewiss ist auch, ob die Marienvesper jemals zu Monteverdis Lebzeiten aufgeführt wurde, noch ob vor dem 20. Jahrhundert das Werk in der heutigen Form Eingang in die Liturgie fand. Der Dirigent John Eliot Gardiner fand im Staatsarchiv Venedig Dokumente, aus denen man womöglich doch auf eine Wiedergabe der Marienvesper im Rahmen von Monteverdis ‚Probespiel’ um den Kapellmeisterposten ebenda schließen könnte.

Ungeachtet des Streits ist die Komposition für sich einmalig, nicht nur deswegen, weil es am Schluss mehrere Magnifikats gibt. Monteverdi war Zeitgenosse von Galileo Galilei (1564-1642), es war die Zeit von bahnbrechenden Entdeckungen und Erkenntnissen, es war auch eine Zeit des großen Widerstands und Auseinandersetzung mit dem Weltbild der Kirche. Monteverdi stand im Zentrum des musikalischen Umbruchs und diesen gestaltete er maßgeblich mit.

altIn diesem Licht ist die neue CD-Einspielung mit zwei internationalen Spitzenensembles zu sehen. „Eine der besten Barockformationen unserer Zeit trifft auf eine der besten Vokalformationen“, heißt es im Begleittext und das ist keineswegs übertrieben. Verstärkt mit wunderbaren Gaststimmen kann „amarcord“ den Geist und das Wesen der Komposition spürbar einfangen. Die besondere Unterschiedlichkeit der Stimmen bestärkt das Werk: Die Vokalstimmen mischen sich wunderbar mit den instrumentalen Ritornellformen.
Die gregorianischen Antiphonen zu Beginn sind noch mittelalterlich, doch dann platzierte der Komponist zwischen die Psalmvertonungen ein- und mehrstimmige Vokalkonzerte (Motetten), die herrlich vom Chor herausgearbeitet werden. Immer wieder erinnert die Fanfare an Monteverdis „L’Orfeo“, als ob sie herausgesprungen sei. Der amarcord-Doppelchor des Nisi Dominus lässt die Pracht venezianischer Kirchenmusik auch in räumlicher Hinsicht erahnen. Im Konzertsaal würde diese Musik ihres Charakters beraubt werden!
Das „Echo“ im Audi caelum klingt herrlich entfernt und entrückt. Die Göttliche Stimme antwortet. Das siebenminütige Stück bildet in seiner Gebetsform und im Zwiegespräch den würdigen Mittelteil. Hier werden die Figurationsanweisungen Monteverdis präzise umgesetzt, denn die Verzierungen sind eng an den Text gebunden und gegenseitig abhängig. Das gelingt in besonders schöner Weise.

Grundsätzlich, und das macht die über 80 Minuten dieser CD so angenehm, vermeidet die Interpretation zu viele unnötige und vom Komponisten nicht angewiesene Verzierungen. Monteverdi gab nämlich keinerlei Anweisungen hinsichtlich Tempi, Dynamik und Besetzung, hier delegiert der frühbarocke „Maestro della Musica“ die Verantwortung an die jeweiligen Dirigenten und Ensembles.

Wie sehr die Marienvesper aufrütteln kann und wie vital die Kirchenmusik damals war zeigt dieses Album und in ihrem Dreiklang Monteverdi, amarcord und Lautten Compagney.

Claudio Monteverdi „Marienvesper“, Lautten Compagney Berlin, amarcord. Leitung Wolfgang Katschner
Carus Verlag
4009350833944

YouTube Monteverdi: Marienvesper / Vespro Della Beata Vergine 1610
Marienvesper als Buch
Hörprobe


Abbildungsnachweis:
Header: Lautten Compagney Berlin, amarcord (Carus)
CD-Cover

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