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Christoph Buchwald

Das neue Jahrbuch der Lyrik ist da. Und es kommt im Frühling grade recht, denn es ist ein Buch zum Spazierengehen!
Allein, einmal kurz um Block oder den halben Tag über Stock und Stein. Zu zweit in Gespräch und Diskussion. Als Spaziergang kann man auf dem Sofa in ihm lesen – oder auch mit Gedichten in Hand und Kopf sich selbst und die Gedanken bewegen.

Die Gedanken bewegen – das vermag jedes Gedicht dieses neuen Bandes. Sie sind privat, sie sind politisch, sie sind gesellschaftlich. Sie sind kritisch, sie sind beschreibend, sie sind erzählend. Es ist eine auffallend bunte Mischung; gemischt in allen Bereichen: thematisch, stilistisch, sprachlich. Auffallend ist ebenfalls die große Menge Humor, die sich in und zwischen den Zeilen befindet. Bei aller Trauer, Wut oder gar Bitterkeit, die ab und an daneben steht.

Jahrbuch Lyrik 2015Der Anspruch der Herausgeber ist es, hier die bedeutendsten Stimmen der zeitgenössischen Lyrik versammelt zu haben. Ob sie das haben, vermag ich nicht zu entscheiden. Doch Christoph Buchwald und Nora Gomringer sind Fachleute im umfassendsten Sinn: Christoph Buchwald gibt das Jahrbuch der Lyrik seit 1979 mit üblicherweise einem jährlich neuen Partner heraus. Nora Gomringer ist selbst Lyrikerin, außerdem Dozentin für Poetik und die Leiterin der Villa Concoria, dem internationalen Künstlerhaus in Bamberg. Sie kennen Lyrik und Lyriker, sind Beobachter der Szene und stecken selbst mitten drin.
In ihrem Nachwort beschreibt Nora Gomringer, was für eine Last und Lust es war, („Eine schöne Ehre ist das!“) die rund 7000 Gedichte für dieses Jahrbuch zu lesen, zu bewerten, zu diskutieren. Und aus ihnen schließlich die 149 auszuwählen, die nun im Buche stehen. Dabei sind Gedichte von Autoren, die nahezu jeder kennt, wie Herta Müller oder Kerstin Preiwuß. Doch gibt es, auch für die Herausgeber, einige Neuentdeckungen. Verteilt haben sie die Gedichte in sieben Kapitel, deren Titel jeweils einem Gedicht entstammen. Das letzte Kapitel Break on through to the other side – Lyriker übersetzen sind Übertragungen von anderssprachiger Lyrik durch Lyriker ins Deutsche. Auch dieser bisweilen neue Blich auf bekannte Gedichte ist eine Lust!

Der Einteilung und Lyrik beigegeben haben die Herausgeber ihre Nachworte: Nora Gomringer einen kurzen Text zur Arbeit an dem Buch – Christoph Buchwald eine kleine Rückschau über seine Arbeit an all den Jahrbüchern der Lyrik im Interview mit sich selbst. Jeder, der mal ein Buch herausgegeben hat, weiß, wie groß am Ende der Zeitdruck geraten kann, unter dem schließlich Nachworte entstehen. Doch wäre es schön gewesen, von beiden bisschen dezidierter etwas zu ihren Entscheidungen zu erfahren. Auch ein poetologischer Essay, wie es ihn bisweilen schon gab, wäre gerade von diesen beiden Herausgebern sehr spannend gewesen. Das aber wären Zugaben zu dem gelungenen, runden Konzert der Lyrik, das hier präsentiert ist.

Die Auseinandersetzung mit dem Jahrbuch der Lyrik braucht Kritik zu jedem Gedicht. Darum, liebe Leser, lest es! Und kritisiert jedes einzelne Gedicht, bedenkt es und besprecht es! Es lohnt sich.

Christoph Buchwald, Nora Gomringer (Hrsg.): Jahrbuch der Lyrik 2015
DVA
Paperback: 224 Seiten
ISBN: 978-3-421-04612-3.


Abbildungsnachweis:
Header: Christoph Buchwald. © Annette Walter
Buch-Cover, Randomhouse