Meinung
Von der Verortung des Weins und der Musik

Die Musik braucht ihre Orte wie der Wein seinen Ort braucht.
Fast jeder hat es schon einmal erlebt: Eine schöne Sommernacht im Freien in Südfrankreich und der provencalische Wein entfaltet sein ganzes Aroma an sämtlichen Genussrezeptoren. Von diesem Wein nimmt man sich dann eine Flasche mit in die Heimat und stellt betrübt fest, hier schmeckt er nicht!
Nur dort, am originären Ort entfaltet der Wein jenes Aroma – in der Landschaft mit deren Geruch und dem warmen Wind seiner Jahreszeit.

Ganz so kann es auch mit Musik geschehen, sie klingt je nach Ort anders oder gar nicht. „Zanussi Five“, das norwegische Quintett um den Bassisten Per Zanussi, spielt an einem einsamen See, in einer Holzjagdhütte, kurz vor Fjell, zwischen Rentiergeweihen und einer Elchschädeltrophäe. Und auch an diesem eigenartigen Ort mit diesem Ambiente sind die Genussrezeptoren geschmeichelt.
Und jenes Wein-Musik-Gleichnis kommt in meinen Sinn: Diese Musik braucht besondere Orte und Räume, sie bedarf keiner Bühne, keinem „black cube“. Der Klang der Saxophone, des Schlagzeugs und Bass’ verschmilzt mit dem skurilen Ort und die Musik verdichtet ihr Umfeld.
Abends spielen "Z5" in der Energi Mølla, einem alten, ausgedienten Wasserkraftwerk – auch ein passender Ort für diese Musik.
Die CD lasse ich schließlich doch nicht liegen. Ob sie ist wie die Flasche Wein ist, die man zu Hause trinkt, finde ich später raus...

Ihr Claus Friede
Zu Gast auf dem Kongsberg Jazzfestival in Norwegen.



Zanussi Five sind: Rolf-Erik Nystrøm (Altsaxophon), Jørgen Mathisen (Tenorsaxophon), Eirik Hegdal (Bariton- und Altsaxophon), Gard Nilssen (Schlagzeug und Percussion) und Per Zanussi (Bass)

Foto: Zanussi Five at Storaas, 2010 Kongsberg Jazz Festival © 2010 John Kelman (www.allaboutjazz.com)
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